Innerbetriebliches Gesundheitsmanagement bei der Dt. Lufthansa: ein Interview mit Emmanuel Hiladakis

Von Kerstin Huber

Nicht viele Unternehmen gönnen sich einen Inhouse-Mediator:innen Pool. Lufthansa Technik als eigenständiger Gesellschaftsteil der Lufthansa AG tut das. Konflikte am Arbeitsplatz, das ist ein wichtiges Thema und betrifft wohl alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Selbstständige wie Kunden und Partner an irgendeinem Punkt in ihrem Arbeitsleben. Das liegt in der Natur der Sache und des Menschen. Lufthanseaten sagen dazu gerne: „es menschelt“.

Ob klein oder groß, mehr oder weniger belastend, immer stellt sich die Frage, was damit machen? Arbeitszeit ist Lebenszeit. Emmanuel Hiladakis, betrieblicher Gesundheitsmanager im Bereich Health Management und Mediator, ist seit 1992 bei Lufthansa Technik. Durch seine verschiedenen Standortwechsel und Rollen im Laufe der Jahrzehnte kennt er das Unternehmen und damit auch die Strukturen und Dynamiken der Branche sehr gut. Ich freue mich sehr, dass sich unser Interview nun noch von Kollege zu Kollegin vor meinem Ausscheiden aus der Firma hat realisieren lassen.

Angefangen hat alles mit einer Ausbildung zum Fluggerätmechaniker und CAT B1 (Freigabelizenz) auf verschiedenen Flugzeugmustern. Heute ist Emmanuel Hiladakis betrieblicher Gesundheitsmanager im Bereich Health Management der Lufthansa Technik und wohnt zwischen Köln und Bonn. 2021 hat er diesem Spezialgebiet einen weiteren wichtigen Baustein hinzugefügt und sich als zertifizierter Mediator an der TENOS-Akademie in Hamburg und an der evangelischen Hochschule Ludwigsburg qualifiziert.

 

Kontakt:

+49 (0) 178 832 0 803

e.hiladakis@gmx.de

Kerstin: Wie bist du zur Mediation gekommen und was begeistert dich an genau diesem Konfliktlösungsverfahren?

Emmanuel: Im Rahmen meiner zusätzlichen Rollen in der Mitbestimmung und in der Tarifarbeit habe ich bei einem Schnuppertag für Mediation mitgemacht, der mein Interesse an der Mediation geweckt hat. Möglich Konflikte aufzulösen, die ‚andere Seite‘ besser zu verstehen, um erfolgreich Verhandlungen zu führen, war mir sehr wichtig. Hinzu kam, dass mein neuer Nachbar ein erfahrener Mediator ist, der mir einen tieferen Einblick in die Thematik ermöglicht hat. Das hat dann dazu geführt, dass ich, was sicherlich sehr ungewöhnlich ist, parallel eine Humanistische Mediationsausbildung in Reutlingen und eine Ausbildung zum Wirtschaftsmediator in Hamburg absolviert habe.

Mediation begeistert mich, weil sie eine gemeinsame und respektvolle Lösung von Konflikten ermöglicht, bei der alle Beteiligten die Möglichkeit haben aktiv mitzugestalten. Sie fördert nachhaltige Ergebnisse, die auf einen Konsens und das Verständnis füreinander basieren, anstatt Gewinner oder Verlierer zu hinterlassen. Besonders faszinierend finde ich, wie Mediation durch die strukturierte Kommunikation und mit Hilfe der Tools aus dem Methodenkoffer Brücken zwischen den gegensätzlichen Ebenen baut.

Kerstin: Wie ist es dazu gekommen, dass Lufthansa Technik einen hausinternen Mediator:innen-Pool geschaffen hat? Anderen Konzernbereichen fehlt diese Ressource, oder es wird mit externen Mediator:innen gearbeitet

Emmanuel: In den vergangenen Jahren hat die LHT (Lufthansa Technik) in ihren Betriebsvereinbarungen eine Mediationsklausel verankert, auch und gerade als sinnvolle Alternative zum klassischen juristischen Weg. Und jedes Jahr vergibt LHT Plätze zur Ausbildung von Mediator:innen an ihre Juristen aber auch an Mitarbeitende. So entstand mit der Zeit eine größere Anzahl an Menschen in den verschiedensten Rollen im Unternehmen, die eine Mediationsausbildung haben und gerne ihr erworbenes Wissen anwenden und vertiefen wollten. In Kombination mit unseren Konfliktlotsen und der Psychosozialen Beratung decken wir das Thema Konfliktmanagement und einen Teil von Mental Health bei der Lufthansa Technik ab. Der Vorteil einer internen Mediation ist, dass wir die Mentalität des Unternehmens und unsere Bereiche kennen und dadurch die Pain-Points einschätzen können, ohne die Allparteilichkeit zu verlieren. Selbstverständlich dürfen Konfliktparteien weiterhin eine externe Mediation wählen.

Kerstin: Wie ist euer Pool strukturiert? Kann sich jede:r Kolleg:in an euch wenden oder richtet sich euer Angebot spezifisch an die Kolleg:innen der Lufthansa Technik?

Emmanuel: Wir befinden uns jetzt in einer Evaluationsphase und testen, wie unser Angebot angenommen wird, und was wir verbessern können, um unser Angebot weiter zu entwickeln. Wir haben es einfach gestaltet und Steckbriefe aller Mediator:innen im Intranet mit den Kontaktdaten veröffentlicht. Bei Bedarf hat jeder Mitarbeitende die Möglichkeit sich direkt an uns zu wenden und das Gespräch suchen. Wir überlegen aber auch, ob es besser wäre den Fall zentral aufzunehmen und gemeinsam zu entscheiden welches Team – wir arbeiten gern in Co-Mediation –  am besten geeignet wäre oder ein größeres Interesse am Fall hat. Wir bieten die Mediation nur auf der LHT-Intranetseite als Teil des Health Managements an. Es gibt jedoch keine Beschränkung auf unsere Gesellschaft. Wir können uns sehr gut vorstellen, nach einer Vernetzung, konzernübergreifend Mediationen durchzuführen.

Kerstin: Bei allen Unterschieden ähneln sich Konflikte am Arbeitsplatz durchaus in ihren zugrunde liegenden Strukturen und Bedürfnissen. Dennoch: Die Fliegerei und Luftfahrtbranche ist schon eine sehr eigene Welt. Gibt es Konflikte, die du speziell in dieser Branche verorten würdest, die du eher nur dort beobachtest?

Emmanuel: Die Technik ist der Luftfahrt ein wichtiger Faktor und Knotenpunkt, wenn sie gebraucht wird. Hier habe ich Konflikte, insbesondere unter Stresssituationen erlebt. Wenn die Besatzung, die Passagiere und Operation klare Aussagen möchten, wann und ob es weitergeht. Hat das Flugzeug einen technischen Defekt, dann „gehört“ das Flugzeug und, je nach Fehler, das Cockpit den Technikern, bis es für den Flugbetrieb wieder freigegeben wird. Dies kann leicht zu Spannungen führen, weil z.B. Zeit einer der wichtigsten Faktoren in der Luftfahrt ist – für alle Beteiligten – und hier sehr viele unterschiedliche Bedürfnisse auf manchmal engem Raum zusammentreffen. 

Meine eiserne Regel lautet hier: Arbeite nach Möglichkeit zu zweit, damit immer eine Kommunikation und auch die Dokumentation gewährleistet werden kann und sich ein Techniker voll und ganz auf die technische Arbeit konzentrieren kann. Das hat meist sehr gut funktioniert und Konflikte im Vorfeld vermieden.

 

Kerstin: Welches Thema beschäftigt dich gerade am meisten?

Emmanuel: Tatsächlich beschäftigt mich das Thema Konflikte, Konfliktmanagement und mentale Gesundheit sehr. Ungelöste Konflikte, egal ob im Privatleben oder am Arbeitsplatz, belasten die mentale Gesundheit und machen auf Dauer uns Menschen krank. Wir können mit unserem Engagement einen kleinen Beitrag leisten, dem entgegenzuwirken. Mein Wunsch ist es die Mediation und den Bekanntheitsgrad unseres Mediator:innen-Pools zu erhöhen und uns besser im Konzern zu vernetzen. Ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingt. Jedoch braucht es Zeit und die Initiative von einigen Beteiligten.

Kerstin: Zum Abschluss unser "Joker": Welche Frage wärst du gerne noch gefragt worden?

Emmanuel: Das deckt sich wohl ein Stück weit mit dem Thema, das mich gerade am meisten beschäftigt. Die Frage wäre daher: „Wo siehst du die hier die größte Herausforderung in der ‚Lufthansa-Welt‘?“ Denn die größte Hürde besteht darin eine Kultur des offenen Umgangs mit Konflikten konzernübergreifend zu etablieren, heißt Berührungsängste abzubauen, und sicherzustellen, dass alle Mitarbeitenden Zugang zu diesen Ressourcen haben und diese auch nutzen.  Außerdem ist es wohl eine wiederkehrende Herausforderung, die Balance zwischen der Unterstützung der mentalen Gesundheit und den täglichen Arbeitsanforderungen zu halten, besonders in stressigen Zeiten oder wenn Konflikte ungelöst bleiben.

Vielen Dank für das Interview, lieber Emmanuel!