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Der Wert einer Entschuldigung: Teil III

Von Kerstin Huber

Das Leben außerhalb einer Mediation – Der Wert einer Entschuldigung im praktischen Alltagsgebrauch

Nach all den theoretischen Überlegungen aus Teil I und Teil II der Artikelreihe Der Wert einer Entschuldigung möchte ich hier in Teil III einfach drei spezielle Erfahrungen aus meinem eigenen privaten und beruflichen Alltag der letzten 15 Jahre erzählen, die gut für sich stehen können.

Speziell sind sie deshalb, weil sie von den in Teil I und Teil II ausgeführten Gedanken immer ein Stück weit abweichen. Der vorher dargestellte klassische Weg und Wert einer Entschuldigung sind mittlerweile klar geworden, denke ich.

All diese Situationen leben natürlich ebenfalls nicht allein durch einen magischen Satz, der die Bitte um Entschuldigung einschließt. Auch hier gehören aktives Zuhören, Nachfragen, Raum und Empathie geben in der ein oder anderen Ausprägung und Tiefe zum Gesamtbild.

Weil mein Arbeitgeber ein abwesender war und ich eine greifbare Person - Die Bitte um Entschuldigung in einer Stellvertreterfunktion

Das erste Beispiel stammt aus einem meiner beruflichen Umfelder des letzten Jahres. Ich arbeite mittlerweile seit über einem Jahrzehnt in diversen Dienstleistungsbranchen. Dort gehört es zum natürlichen Erlebnisraum aller Beteiligten, dass Angebot und Nachfrage, Möglichkeiten und Unmöglichkeiten und Erwartungen nicht immer zu 100% deckungsgleich sind. Sie können es auch nicht sein, schon allein aus Volatilitätsgründen.

Das macht diese Branchen damit sehr spannend. Denn diese Umgebungs-Merkmale beleben Kreativität und Menschenkenntnis und das Denken in Alternativen, neuen Wegen und Improvisationen. Dahinter steht immer das übergeordnete Ziel, auch ein gutes Miteinander zu erreichen, was allein schon unter wirtschaftlichen Aspekten Sinn macht. Zudem ist Entwicklung sozusagen automatisch implementiert.

Die Situation

Jedenfalls hat die erwähnte Situation genau damit zu tun: mein Gegenüber, ein Paar, hatte eine bestimmte Dienstleistung und ein bestimmtes Produkt gekauft. Dienstleistung und Produkt waren in bestimmten Punkten genau definiert, in anderen Punkten wie z.B. zeitliche Verfügbarkeit und gleichwertige Substituierung von Details flexibel gestaltet.

Da zum Stichtag nun beide eben genannten flexiblen Vertragsbedingungen gegriffen haben, weil schlichtweg bestimmte Ressourcen gefehlt, andere dafür verfügbar waren, wurde eine Anpassung vorgenommen. Auch wenn diese Vertragsklauseln transparent kommuniziert worden waren, war das Paar wenig erfreut und sehr verärgert.

Ich kann das gut nachvollziehen und verstehen, weil wir alle unsere Erwartungen und in diesem Fall auch Vorfreude haben, uns nicht benachteiligt oder schlecht behandelt fühlen wollen. Unabhängig davon, wie subjektiv oder objektiv das sein mag. Hier geht es schlichtweg um die eigene Weltsicht, sonst kann ich den Anderen in der Kommunikation gar nicht erreichen, wenn ich diese konstruktivistische Realitätsarchitektur ignoriere. Zur Erinnerung: jeder will wahrgenommen und verstanden werden.

Meine Rolle

Auch wenn ich selbst in diesem Fall auf diese Anpassung keinen Einfluss hatte, war ich die Person, die physisch zu diesem Zeitpunkt anwesend war und an die der Ärger überhaupt adressiert werden konnte. Das berühmte menschliche Ventil. Auch das kann ich gut verstehen, weil das Bedürfnis, Druck loszuwerden und eine wirklich anwesende Person ansprechen zu können, ein sehr menschliches ist.

Natürlich löst so eine Situation auch bei mir Empfindungen diverser Art aus, die ich aber gerade im beruflichen Kontext sehr gut selbst regulieren kann. Eine gesunde Distanz ohne den Anderen abprallen zu lassen hilft dabei sehr, und vieles nehme ich schlichtweg nicht (mehr) persönlich.

Vielleicht ist es mir deshalb über die Jahre auch immer leichter gefallen, um Entschuldigung für etwas zu bitten, dass ich gar nicht selbst verschuldet habe, sondern eine andere Person oder Institution. Ich versuche den Anderen damit dort abzuholen, wo er sich gerade befindet. Weil ich die Person bin, die er gerade vor sich hat. Weil ich damit die Person bin, die Einfluss nehmen kann. 

Dem eigentlichen Verursacher wird er vielleicht nicht mehr oder nie begegnen. Von mir bekommt er in diesem Moment den Raum, seine Emotionen bis zu einem gewissen Maß (aus)leben zu können. Diese Emotionen sind für mich immer wichtige Hinweise auf die darunterliegenden Bedürfnisse.

Diese Stellvertreterposition ist nicht immer eine schöne, aber sie bringt oft Schönes hervor: ich bin immer wieder fasziniert davon, wie positiv Menschen auf diesen Prozess reagieren, welche positive Schwingungen und Empfindungen es hervorrufen und welch ein gutes Miteinander im Anschluss stattfinden kann. 

Die Bitte um Entschuldigung, auch im Namen eines Dritten, kann auch hier wie in einer Mediation ein wichtiges Drehmoment darstellen. Es kann überdies hinaus in einer besseren und stärkeren Kundenbindung resultieren, die ohne das einleitende negative Erlebnis so nicht eingetreten wäre.

Mein Fazit

Viele von uns kennen es aus eigener Erfahrung, wenn wir als Gast oder Kunde eine bestimmte Erwartungshaltung mitbringen. Klappt etwas nicht so, wie es in der jeweiligen Situation zu vermuten war, oder wie wir es uns gewünscht hätten, dann führt das eher selten zu einem Anstieg an Freude und Begeisterung. 

Das Ganze kann sich aber sehr schnell drehen, wenn unser Gegenüber um Entschuldigung bittet und ehrlich und offen mit der offensichtlichen Schieflage umgeht. Das ändert auf der Sachebene häufig nicht das geringste, auf der Beziehungsebene aber genauso häufig alles.

Ich fühle mich wahrgenommen in meiner Enttäuschung oder in meinem Ärger und der Andere versteht, dass mir daraus jetzt ein Schaden oder zumindest ein in meiner persönlichen Sicht gefühlter Nachteil entsteht. Mehr braucht es oft nicht, damit sich die Situation trotzdem direkt entspannt und im Nachhinein als gut empfunden wird. Denn die Beteiligten befinden sich menschlich auf Augenhöhe und im guten Kontakt miteinander.

Weil Zeit und Wertschätzung einen Bund schließen können – Der eigene Wunsch nach einer Entschuldigung

Das zweite Erlebnis spielte sich im privaten Bereich ab und gehört wohl zu den Klassikern. Während meiner Studienzeit war ich sehr eng mit einer Kommilitonin aus einem anderen Fachbereich befreundet gewesen. Wir hatten gleiche Interessen und auch unsere damaligen Weltanschauungen hatten sich in vielen Bereichen überschnitten. 

Die Situation

Eine Sache, in der wir allerdings sehr verschieden waren, war unser Planungsverhalten und unser Verständnis von verbindlichen Terminabsprachen. Dabei ging es nicht um die Quantität von Treffen oder Verabredungen und nicht einmal darum, dass sie damals eher der spontane Typ gewesen ist und ich eher der planerische. Es ging darum, dass Verabredungen unterschiedlicher Art über die Jahre zunehmend unverbindlich von ihrer Seite gehandhabt wurden. Von Anrufen, die vergessen wurden, über Rückmeldungen, die zum spätmöglichsten Zeitpunkt oder nach einer Frist erfolgten, bis hin zu Verspätungen im einstündigen Bereich, weil es gerade dort so schön war, wo sie sich befand.

Gleichzeitig war unsere Freundschaft auf eine so feste und vertrauensvolle Basis gestellt, dass ihr Wert lange nicht in Frage gestellt wurde und der Kern intakt blieb. Trotz meiner eigenen Verbindlichkeit konnte ich diesen Charakterzug gut nachvollziehen und fand ihn bis zu einem gewissen Grad nicht unattraktiv.

Meine Rolle

Irgendwann hat sich diese Unverbindlichkeit aber für mich zu einer Unzuverlässigkeit und fehlenden Wertschätzung ausgewachsen. Irgendwann hat sich das gefühlsmäßig so verfestigt, dass mir die Sicherheit und das Vertrauen, dass Verabredungen und Ereignisse stattfinden, letztendlich abhandengekommen sind. Das ständige Warten hat mich nicht nur verletzt, sondern auch wütend gemacht.

Das hatte also nichts mehr damit zu tun, dass natürlich immer mal irgendwas dazwischenkommen kann. Dafür ist es zu häufig und regelmäßig passiert. Mein Wertekanon, verbindlich in Terminen und Absprachen zu sein und sich für jemanden damit bewusst Zeit zu nehmen, liegt hier unter Wasseroberfläche.

Durch das Da-Sein bedient man nicht nur so vermeintlich altmodische Tugenden wie Respekt und Höflichkeit, sondern lässt den Anderen spüren, signalisiert ihm, dass er in diesem Moment wertgeschätzt wird und wichtig ist. Niemandes Zeit ist mehr wert als die eines Anderen.

Ich habe es versucht, anzusprechen. Ich habe es angesprochen. Ich habe es gespiegelt. Ich habe es ignoriert. Es hat nichts geholfen. Was mir geholfen hätte, wäre eine ehrliche Bitte um Entschuldigung gewesen, gerne auch etwas inflationär eingesetzt. Einfach um wirklich greifen zu können: „Hey, ich bin dieser Person etwas wert, und sie versteht, dass ihr Verhalten das gerade nicht ausgedrückt hat. Und dass es vor allem einfach zu oft vorkommt.” Das allein hätte vielleicht auch die Akzeptanz auf meiner Seite ein Stück weiter ausdehnen können.

Mein Fazit

Trotzdem ist eine Bitte um Entschuldigung kein Freifahrtschein und das Bemühen, sich auf den Anderen einzustellen, ein wesentliches. Dieser Versuch funktioniert häufig nur, wenn beide sich bei störenden Unterschieden ein Stück weit in die Zone des anderen bewegen. Veränderung und Akzeptanz in Ko-Existenz sozusagen.

Es geht nicht darum, dass sich eine Person völlig (ver)ändern soll, gerade auch wenn es ein Charakterzug ist, der mit anderen Menschen durchaus schwingen kann – was in diesem Fall auf sie wie auch auf mich zugetroffen hat und zutrifft. 

Es geht aber darum, dass man versteht, was sein eigenes Verhalten im Anderen auslöst und das ernst nimmt.  Was jedenfalls nicht geholfen hat, waren die Worthülsen „Entschuldige bitte, aber mein Terminkalender ist wieder so voll. Das verstehst du ja sicher…” –  „Tschuldigung…” –   „Sorry, du bist halt nicht so der spontane Typ wie ich, …” um es beim nächsten Mal genauso wieder so zu machen. Darin haben sich für mich weder Verstehen noch Wertschätzung und die Übernahme von Verantwortung ausgedrückt. 

Das hat letztendlich die Freundschaft für mich peu à peu entwertet, weil es eben nicht einfach (mehr) nur um unterschiedliches Zeitmanagement ging.

Weil das Verbot einer Entschuldigung kein gutes Gebot ist - Das Nehmen meiner Möglichkeit zur Entschuldigung durch Dritte

Das letzte Beispiel nähert sich dem Thema von der genau gegenüberliegenden Seite. Was passiert oder passiert nicht, wenn die Bitte um Entschuldigung nicht vom Gegenüber, sondern schon im Vorfeld von einer übergeordneten Instanz untersagt wird?

Die Situation

Die Ausgangssituation vor einigen Jahren war ursprünglich eine durchaus hitzige Diskussion zum Thema Arbeitsbereiche und Entscheidungsbefugnisse zwischen einem Kollegen, der Abteilungsleitung und mir. Gute Argumente auf allen Seiten, Interessen und Bedürfnisse waren durchaus erkennbar – dadurch ist die Situation zwar nicht völlig eskaliert, hat allerdings doch zu einem Tunnelblick und gesteigerter Gereiztheit geführt.

Beides hat unser aller Blickwinkel eingeengt und die Aufmerksamkeit für das Umfeld verringert. Obwohl die Diskussion durchaus im Hintergrund stattgefunden hat, fand sich plötzlich ein Kunde mit einer dringlichen Bitte in dieser Situation wieder. Wir waren in diesem Moment nicht in der Lage, dieser Bitte nachzukommen.

Zum einen, weil wir unsere Aufmerksamkeit nicht so schnell umlenken konnten. Zum anderen, weil wir die Lösung für sein Problem, die vor Ort durchaus vorhanden war, wirklich übersehen haben. Wir haben ihn daher schnell und nachdrücklich zu Kollegen umgeleitet, die das Problem auch lösen hätten können.

Für den Kunden war dies allerdings keine adäquate und auch zeitlich sinnvolle Entscheidung und Behandlung. Das war sehr deutlich an seiner irritierten und wütenden Reaktion ablesbar, zumal die zeitliche Verzögerung in diesem Fall sein Problem tatsächlich akut verschärft hat.

Meine Rolle

Ohne auch hier näher auf Details einzugehen, und auch darauf, wie unser aller Konfliktverhalten war, ist klar, dass in diesem Fall die Bitte um Entschuldigung angebracht und auch notwendig war. Es ging darum, die Geschäftsbeziehung zu schützen und auch die eigene Verantwortung für den durch uns entstandenen Schaden (und wohl auch für die emotionale Verletzung nicht ausreichend wahr- und ernstgenommen zu werden) anzuerkennen.

Die Abteilungsleiterin hatte nun jedoch entschieden, dass nur sie selbst nochmals auf den Kunden zugehen und ihn um Entschuldigung bitten werde. Mein Wunsch, als maßgeblich Beteiligte auch auf den Kunden zugehen zu wollen, ist abgelehnt worden. Es macht natürlich durchaus Sinn, dass nicht alle beteiligten Mitarbeiter persönlich beim Kunden vorstellig werden, gleichzeitig wäre es aber wichtig gewesen, hier zu differenzieren.

Denn beim nächsten Kontakt mit diesem Kunden ist klar geworden, dass das Verhältnis und die Beziehungsebene nur einseitig repariert und wiederhergestellt war: der Kunde hat sich freundlich mit der Abteilungsleiterin ausgetauscht und sich für weitere Unterstützung bedankt. Mich hingegen hat der Kunde keines Blickes gewürdigt und selbst grundsätzliche Höflichkeitsrituale wie Begrüßung und Verabschiedung haben nicht stattgefunden.

Nun weiß ich nicht, wie das Entschuldigungsszenario im Einzelnen abgelaufen ist, was ich aber weiß, ist, dass mein eigenes Verhältnis und der Kontakt zu diesem Kunden weiterhin beschädigt waren. Eine weitere geschäftliche Beziehung zwischen ihm und mir wäre dadurch erst einmal sehr erschwert gewesen.

Mein Fazit

Beides zeigt als Positiv-Negativ-Abgleich den Wert einer Entschuldigung. Ich bin fest überzeugt davon, dass eine Bitte um Entschuldigung auch von meiner Seite diese Weiterentwicklung hätte verhindern können. In einer vergleichbaren Situation würde ich mich nun anders verhalten und meinen Raum für diese, in diesem Beispiel eigentlich sehr kleine, Handlung aktiver gestalten.

Es ist eine Sache, wenn der Andere, der direkt Betroffene meine Bitte nicht annimmt, mich nicht ent-schuldigt. Auch dann werde ich meine Last nicht los und weiß, dass ich den Anderen wahrscheinlich nachhaltiger beeinträchtig oder verletzt habe. Eine ganz andere Sache ist es, wenn mir nun aber schon im Vorfeld die Möglichkeit genommen wird (oder ich sie mir auch nehmen lasse), überhaupt diese Kommunikationsebene einzuleiten und die Chance auf Beziehungspflege und Fürsorge für mich und den Anderen in Form einer Bitte um Entschuldigung zu nutzen.

Letzteres hinterlässt einen sehr schalen Geschmack von Ohnmächtigkeit und verordneter Passivität. Sich im Gegensatz dazu als handlungsfähig zu erleben, ist einer der stärksten menschlichen Antriebe, der sich noch dazu sehr gut und wunderbar lebendig anfühlt. Die Bitte um Entschuldigung kann so ein Empowerment-Triebwerk sein.

Fazit: 100%iger Erfüllungsgrad als persönlicher Zielwert? Nein!

Wir erinnern uns an meine eingangs gestellte Frage: Gäbe es nicht vielleicht eine taugliche Alternative in und außerhalb einer Mediation zu dieser vielleicht doch manchmal sperrigen Wendung Bitte um Entschuldigung, die im Alltagsgebrauch zu Worthülsen verschliffen wurde?

Ein Wort ist ein Wort ist ein Wort ist…

Die schlechte Nachricht ist, dass es keine perfekte alternative Wendung im Sinne eines Synonyms gibt, weil die Wendung nun mal bedeutet, was sie bedeutet und nach einem sich bedingenden System von mindestens zwei Beteiligten verlangt.

Die gute Nachricht hingegen ist, dass es gar nicht um Perfektion gehen muss, sondern um ein überhaupt und darum, einen Anfang zu machen. Das gilt doppelt, wenn das Aussprechen einer Bitte um Entschuldigung in ihrer richtigen Bedeutung nicht zum vertrauten oder eingeübten sprachlichen Repertoire gehört.

Sprache, auch die eigene, entwickelt sich und das am besten organisch. Sie muss zu einem passen und authentisch sein. Allerdings halte ich auch nichts von dem anderen Extrem, das Wort Entschuldigung aus dem eigenen Wortschatz gewaltsam zu tilgen, weil es z.B. das für unseren Kulturkreis christlich geprägte Wort Schuld in sich trägt.

Die Alternative

Der eigene Wortschatz darf ein echter sein und soll zu einem Miteinander-Sprechen führen. Führt es dazu, dass jemand weniger offen in den Austausch oder auf den Anderen zugeht, weil er befürchtet, ein falsches Wort zu benutzen, dann ist der Sache und auch der Beziehung nicht gedient.

Sensibilität im Umgang mit Sprache, dem eigenen Ich und dem Anderen erscheint mir als der bessere Kompass und der nachhaltigere Weg. Deshalb gibt es für mich tatsächlich eine Alternative, die ich immer wieder gerne nutze und dir mir hilft: ein schlichtes „Es tut mir leid, dass…” Ein, wie ich finde, einfacherer und umgangssprachlicherer Satz, der definitiv seine Berechtigung hat.

Entscheidend ist allerdings ebenso, dass dieser Satz ohne ABER, ohne Relativierung, ohne Rechtfertigung, ohne… auskommt. Sonst verkommt auch er zu einer leeren Phrase. Denn auch hier geht es darum, eine (Norm)Verletzung oder einen Schaden anzuerkennen und im entsprechenden Fall Verantwortung zu übernehmen. Erneut und immer noch geht es um Wertschätzung und Anerkennung der (subjektiven) Sicht und des (subjektiven) Empfindens des Anderen!

Untergrabe ich gerade meine eigenen vorangegangenen Gedanken? Ich denke nicht: sich der Wendung Bitte um Entschuldigung anzunähern oder sie zu benutzen (lernen), schreibt die Geschichte der Entschuldigung noch einmal anders, wie wir gesehen haben.

Warum Inflation auch wertsteigernd sein kann

Warum sollte das Format glaubwürdige Entschuldigung nun inflationär gebraucht werden? Weil es einfach immer noch zu wenig im privaten oder beruflichen Kontext Verwendung findet. Wenn jeder von uns darüber nachdenkt, wie oft man sich schon selbst eine ehrliche Bitte um Entschuldigung, die man auch annehmen darf, gewünscht, erwartet oder sich einfach darüber gefreut hätte, dann ist das wahrscheinlich Statistik genug.

Zugleich ist es essentiell, kein System aus Schuld (und Sühne) zu etablieren oder die Entschuldigung als Machtmittel zu instrumentalisieren. Der Wert einer Entschuldigung liegt, neben der viel genannten Wertschätzung des Anderen, darin, dass sie den Zündstoff, das Eskalierende und Verhärtende aus jeder Form einer Beziehung nehmen kann – beruflich wie privat.

Sie hat Konfliktlösungspotential. Sie ist eine Chance, Beziehung zu vertiefen, zu verbessern oder zu einem guten Ende zu bringen, gut für sich und sein Verschulden und seine Scham und die Scham und die Verletzung des Anderen zu sorgen.

Und ich habe den schweren Verdacht, dass es letztendlich immer noch leichter ist, als Verursacher um Entschuldigung zu bitten, wie als bereits Geschädigter und Gekränkter eine Entschuldigung zu erbitten. Das läuft schlicht unter Risikomanagement.

Gesellschaftliche Faktoren

Natürlich ist nicht nur in der Mediation eine Entschuldigung nicht zu erzwingen, sondern auch nicht im Alltag. Manchmal steht auch einfach die Notwendigkeit einer Entschuldigung nicht klar vor Augen. Oder es gibt zu viele kleine Situationen. Oder es ist im Alltag schlichtweg nicht darstellbar.

Bestimmte westliche und kulturelle Faktoren unserer Gesellschaft, die mit dem Verständnis von Zeit, Wertschöpfung, Schwäche, Leistung und Hierarchien zu tun haben, sind nicht immer hilfreich auf dem Weg zur Bitte um Entschuldigung. 

Ich bemühe nochmals die Passage Hartmut Rosas aus Teil II. Denn diese beschreibt jene Faktoren im Bezug auf die Gedanken des Vergebens und Verzeihens, die dem Konzept Entschuldigung anverwandt sind, gut: „Soziale Institutionen und gesellschaftliche Interaktionsformen, welche systematisch auf Berechnung und Abrechnung hin angelegt sind, lassen per se keinen Raum für das Verzeihen. In einer Gesellschaft, deren dominanter Interaktionsmodus der Wettbewerb ist und die infolgedessen die Subjekte in nahezu allen Lebenssphären unter Optimierungsdruck setzt, verlieren die Konzepte des Vergebens und Verzeihens (und des daraus resultierenden Neu-anfangen-Könnens) tendenziell ihren Sinn: Wer im Wettbewerb einen Fehler macht, fällt zurück, und wer zurückfällt, hat das Nachsehen.” (S. 361)

Existiert ein schuldhafter Konflikt, den eine Bitte um Entschuldigung positiv beeinflussen könnte, muss sich am Ende des Tages jeder selbst fragen, ob das eigene Ego und die eigene Scham mehr wert sind, als die Beziehung zum Anderen. Die Antwort darauf ist bei weitem nicht so klar, wie man meinen könnte…

Ein neues Wort und ein neuer Wert zum Weiterdenken

Dem fehlenden Konzept der Entschuldigung kann schließlich die Idee der Resilienz gegenübergestellt werden, ein zweiter zweieiiger Zwilling nach Schuldzuweisung und Entschuldigungswunsch.

Sie ist keine Carte blanche, um sich abzuhärten oder die Bitte um Entschuldigung als Beteiligter auf der einen oder anderen Seite leichtfertig zu verwerfen und den vermeintlich bequemeren Weg der eigenen Resilienz zu gehen. Sie ist aber eine Fähigkeit, die ich alleine stärken und ausbauen kann, und die für mich im Falle einer verwehrten Entschuldigung oder einer verwehrten Annahme der Bitte um Entschuldigung zur Werterhaltung beitragen kann. Auch sie bringt mich zurück und erhält mich in meiner Handlungsfähigkeit lebendig.

Weiterführende Literatur:

Justus Duhnkrack: Entschuldigung in Gerichtsverfahren und Mediation. 2020 (Viadrina-Schriftenreihe zu Mediation und Konfliktmanagement, Bd. 18). Frankfurt am Main: Wolfgang Metzner Verlag.

Joseph Duss-von Werdt: Einführung in die Mediation. 2. überarbeitete Auflage 2011 (2. überarbeitete Auflage. (Reihe: Carl-Auer Compact). Heidelberg: Carl-Auer.

Hartmut Rosa: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehungen. 5. Auflage 2021 (Reihe suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2272). Berlin: Suhrkamp.