Interview: 10 Fragen an die Gründerinnen

Clara Herz und Kerstin Huber

1. Was möchtet ihr mit eurem Projekt erreichen?

Kerstin: Für mich ist das Projekt eine Art Forum für uns, aber auch für andere, auf dem Unterschiedliches stattfinden kann und darf, Austausch und Inspiration zum Thema Mediation und Konfliktlösung möglich ist. Daneben spielt für mich durchaus ein aufklärerischer Gedanke eine Rolle. So bekannt Mediation auch ist, so sehr gibt es auch immer noch und immer wieder ganz unterschiedliche Vorurteile und Fehlvorstellungen.

Clara: Genau an dieser Stelle setzen wir an. Wir möchten über Mediation informieren und das Verfahren greifbarer machen. Mit unserem Blog wollen wir ganz verschiedene Zielgruppen ansprechen: Menschen, die mehr über Mediation und alternative Konfliktlösung erfahren möchten, aber auch alle, die auf der Suche nach Informationen über den professionellen Umgang mit Konflikten sind.

2. Wie entstand die Idee zu eurem Projekt?

Clara: Schon seit länger Zeit hatte ich die vage Idee, einen Blog zu starten. Ich habe allerdings auch gemerkt, dass ich gerne gemeinsam Ideen entwickle, und hatte deshalb den Gedanken, dass der Blog auch zugleich ein schönes Gemeinschaftsprojekt für unseren Kurs in der Mediationsausbildung werden könnte. Kerstin und ich haben uns dort von Anfang an super verstanden und von daher konnte ich mir keine bessere Partnerin vorstellen, um die Idee schließlich auch in die Tat umzusetzen.

Kerstin: Clara hat mich schlichtweg mit der Idee angefixt, als sie mir davon erzählt hat. Ich erinnere mich da noch sehr deutlich an ein Mittagessen bei Ramen und Tee in Schwabing. Arbeit mit und am Text fand ich immer spannend und ist seit langem Teil meiner Lebens- und Arbeitswelt, ein eigener Blog war zwar theoretisch interessant, aber: nicht alleine, nur mit regelmäßigem Input und vor allem vor einem professionellen Hintergrund. Was mich nie wirklich interessiert hat, ist ein rein privater Blog, sondern immer bezogen auf eine Leidenschaft oder den Beruf. Und das lässt sich wunderbar mit meinem über die Jahre gewachsenen Interesse an Mediation verbinden. Clara hat den Funken neu gezündet und ist dafür DIE Partnerin in Crime.

3. Wie kamt ihr zur Mediation?

Kerstin: Mein beruflicher Hintergrund als Kunsthistorikerin, Buchhändlerin und Flugbegleiterin deckt mittlerweile, auf den ersten Blick, ein sehr inhomogenes Spektrum ab. Es gibt allerdings eine große Schnittmenge, die nicht nur alle Professionen zusammenbringt, sondern dahingehend außerdem einen Synergieeffekt erzeugt: So bin ich seit knapp 15 Jahren im ständigen Kontakt und Austausch mit Kunden, Gästen und Kollegen unterschiedlichster kultureller und sozialer Herkunft und eines diversen Altersspektrums. Kunden- wie Kollegenstruktur sind einerseits geprägt durch hohen Wechsel und Einmalkontakt, andererseits durch beständige Stammkundschaft und kleine, über Jahre gewachsene Teams. Ich kenne das Arbeiten in sehr kleinen, teilweise exklusiven Betrieben und in großen Konzernen. Konfliktsituationen, teilweise auf sehr engem Raum mit begrenzten Ressourcen, gehörten und gehören für mich in meinen Berufssparten zum täglichen Brot. Mich auf ein wechselndes Gegenüber mit unterschiedlichsten Hintergründen und Bedürfnissen einzustellen und mit ihm umzugehen, ist dabei eine berufliche Grundanforderung und ein ständiger Arbeitsprozess, der für mich auch Übung und Weiterentwicklung bedeutet. Das Erfragen und Erkennen, was hinter einem Wunsch, einer Beschwerde, einem Problem o.ä. liegt, führt auch beim Kunden, Gast oder Kollegen zu einem Zufriedenheitsgefühl und zu einer tragfähigeren Lösung. Das kann einem Konflikt vorbeugen oder ihn nachhaltiger lösen. Das sind alles Prinzipen und Vorgehensweisen, die auch für die interessen- und bedürfnisorientierte Mediation von großem Nutzen sind. Was meinen Wunsch, mich zur Mediatorin ausbilden zu lassen, sicherlich verstärkt und mich in dieser Rolle und Aufgabe auch immer unterstützt hat, sind diverse Weiterbildungen zu Themen wie Feedback als Führungsinstrument, Resilienz, professionelles Konfliktmanagement, Entscheidungsfindung oder Selbst- und Fremdbild.

Clara: Bei mir entstand die Fazination für das Thema Mediation, Kommunikation und Konfliktlösung ganz zu Beginn meines Jurastudiums. Ich hatte mich mehr aus einem allgemeinen Interesse heraus für ein Seminar zu Konfliktmanagement und Mediation angemeldet, das mich wirklich nachhaltig begeistert hat. Während des Studiums selbst habe ich mich vor allem dem Strafrecht gewidmet und im Anschluss auch zu einer strafrechtlichen Fragestellung promoviert. Gleichzeitig hat mich meine früh entstandene Leidenschaft für die Mediation nie losgelassen – der Gedanke, dass ich mich gerne zur Mediatorin ausbilden lassen möchte, war im Grunde immer in meinem Hinterkopf. In meinem Fall ging es deshalb lange um die Frage der Umsetzbarkeit: einerseits in rein zeitlicher Hinsicht, andererseits aber natürlich auch in finanzieller Hinsicht. Denn so ehrlich will ich sein: die zahlreichen Aus- und Fortbildungen, die mit dem Start in das Dasein als Mediatorin oder Mediator verbunden sind, muss man sich erst einmal leisten können (und wollen). Während des doch recht zeitintensiven Jurastudiums und der anschließenden Promotionsphase war eine Mediationsausbildung für mich schlicht nicht umsetzbar. Als dann aber Anfang 2021 bei mir ein größerer Wechsel und gewissermaßen auch ein neuer Lebensabschnitt anstand, habe ich beschlossen: jetzt endlich erfülle ich mir diesen Wunsch! Ich habe es keinen einzigen Augenblick bereut, diesen Schritt gewagt zu haben.

4. Was fasziniert euch an Mediation?

Kerstin: Der absolute USP bei der Mediation ist für mich die Nachhaltigkeit und Tragfähigkeit, weil die Konfliktparteien ihre Lösungen selbst erarbeiten. Nichts trägt mehr und ist mehr auf die Zukunft orientiert als eine durch die Klienten gemeinsam gefundene Lösung. Der zweite, für mich genauso wichtige Punkt ist das Menschenbild, das der Mediation zugrunde liegt. Zu verstehen, was hinter oder unter einem Konflikt liegt, um dort wesentlich zielführender und effektiver ansetzen zu können, verbunden mit einer positiven Haltung dem Menschen gegenüber, ist für mich eine unschlagbare Kombination.

Clara: Mich fasziniert an der Mediation vor allem, dass es – anders als im juristischen Bereich – nicht darum geht, wer recht und wer unrecht hat, wer richtig und wer falsch liegt. Vielmehr dürfen die verschiedenen Wirklichkeiten der Beteiligten nebeneinanderstehen. Das hat auch viel mit der Haltung und dem Menschenbild zu tun, mit dem ich meinem Gegenüber in der Mediation begegne: In der Mediation geht es um eine wertschätzende Haltung, die die Beteiligten dazu ermutigen und befähigen soll, ihren Konflikt aus eigener Kraft zu lösen.

5. Welche Bereiche interessieren euch als Mediatorinnen besonders und warum?

Kerstin: Mich interessieren besonders die Bereiche Wirtschaft und Arbeitsplatz, die interkulturelle Mediation und davon unabhängig das Konfliktcoaching allgemein.

Was Wirtschaft und Arbeitsplatz anbelangt, finde ich es sehr spannend, wie vielfältig sich Konflikte im Kleinen wie im Großen dort gestalten, wie unterschiedlich die Persönlichkeiten sein können, die dort aufeinandertreffen. Ich selbst bin jemand, die immer gerne gearbeitet hat und für die der Begriff Arbeit einen konstitutiven Wert für ein gutes Leben darstellt. Ich möchte nicht, dass das Leben erst mit dem Feierabend beginnt und das wünsche ich auch niemand anderen. Dafür verbringen wir alle zu viel Lebenszeit am Arbeitsplatz oder mit Arbeit. Was dem meiner Erfahrung nach gerne im Wege steht, ist weniger der Beruf an sich, obwohl auch das eine wichtige Rolle spielt, als vielmehr das Arbeitsklima und die Arbeitsbeziehungen. Das Phänomen Arbeitsklima versus Stellenbeschreibung ist sicherlich vielen vertraut: Passt das Zwischenmenschliche, bleibt ein, aus welchen Gründen auch immer, unbefriedigender Arbeitsplatz häufig doch attraktiv. Umgekehrt gilt das weit weniger. Man muss kein Experte sein, um sich vorstellen zu können, dass das wirtschaftliche und persönliche Folgen haben kann. Ich finde, das muss nicht so sein, da kann man aktiv mitwirken.

Das Interesse an der interkulturellen Mediation ergibt sich bei mir mit Sicherheit schon allein aus meinen ursprünglichen Herkunftsberufen. Die Fliegerei lebt vom Orts- und Kulturwechsel, von einer großen Internationalität – sei es im Team, mit den Gästen oder mit den Menschen an der jeweiligen Destination. Die Kunst hat sich noch nie an Grenzen gehalten, war immer neugierig auf Fremdes und neue Impulse und erschafft Welten. Sie stellt durch alle Zeiten und Kulturen und auch in all ihrer Unterschiedlichkeit oft die gleichen großen Fragen, wendet sich dem gleichen Motiv zu. Da ist mehr Verbindendes als Trennendes. Durch das Einbeziehen der interkulturellen Perspektiven bringe ich meinem Gegenüber nicht nur Respekt entgegen, sondern baue überhaupt erst eine Basis für gegenseitiges Erkennen. Ich bin überzeugt davon, dass Konflikte durch Missverständnisse entstehen können, weil das Andere einem einfach fremd und unbekannt ist. Für mich erfüllt das interkulturelle Arbeiten im Mediationsspektrum die Funktion einer Annäherung im Verstehen, nicht im Gleichmachen, und begegnet damit unfruchtbaren Kulturvergleichen und Konflikten.

Mediation und Konfliktcoaching stehen in bester Verwandtschaft für mich, teilen sich bisweilen den gleichen Werkzeugkoffer und sind doch unterschiedliche Methoden. Menschen professionell beratend zu begleiten, gleichermaßen mögliche Issues zu identifizieren und die Prozessebene zu adressieren, also den eigenen Handlungsraum zu durchdenken und zu gestalten, halte ich für spannende Aufgaben. Wie in der Mediation sind auch hier Augenhöhe und Autonomie zentrale Werte. Zudem empfinde ich den Rollenwechsel zwischen Mediatorin und Coachin als reizvoll. Als Mediatorin versuche ich allparteilich zwischen allen Beteiligten zu vermitteln und sichere die Struktur des Verfahrens. Als Coachin verschiebt sich der Fokus auf das Arbeiten mit einer Partei, die ich bei der Handhabung ihrer Konflikte und ihrem Konfliktverhalten unterstütze.

Clara: Bei mir hat sich über die ersten Fälle als Mediatorin eine Schwerpunktsetzung in Richtung Paar- und Familienmediation ergeben. Die Arbeit in diesem Bereich macht mir große Freude: sie setzt unmittelbar im Lebensalltag an und zeigt, wie sich durch schrittweise kleine Veränderungen, die sich häufig im Laufe der einzelnen Mediationssitzungen (und gerade auch in den Zeiträumen dazwischen) von ganz allein ergeben, schon viel erreichen lässt. Häufig kommen in den Mediationen auch sehr private und persönliche Themen zur Sprache – das erfordert viel Fingerspitzengefühl von meiner Seite und auch viel Vertrauen von Seiten der Medianden. Wenn sich eine Person öffnet, von Dingen erzählt, die sie belasten und die sie im Stillen mit sich herumträgt, wenn ein Paar gemeinsame neue Visionen für seine Zukunft entwickelt, dann sind genau das die Momente, in denen ich spüre: Hier gehöre ich hin. 

Über meine Abschlussarbeit in der Mediationsausbildung und die praktische Arbeit mit Fällen habe ich zusätzlich einen besonderen Schwerpunkt auf den Umgang mit Stress gelegt – ein Thema, das sowohl in Paar- und Familienkonflikten als auch in Wirtschafts- und Arbeitswelt eine große Rolle spielt und natürlich auch in die Mediation “hineinwirkt”. Den Faktor “Stress” mit seinen verschiedenen Ursachen und Wirkungen in der Konflikthistorie und in der Konfliktbearbeitung immer mit im Blick zu haben, ist für mich als Mediatorin von unschätzbarem Wert. Hinzu kommt für mich aber auch, dass ich mit meiner Arbeit als Mediatorin dazu beitragen möchte, dass Menschen den Mut fassen, eine belastende Situation zu verändern. Denn gerade chronischer Stress macht früher oder später krank, Burnout oder Depression können die Folge sein. Als Mediatorin liegt es deshalb auch an mir, die Medianden darin zu bestärken, dass sie an einer bestimmten Situation auch etwas verändern können. Wenn das gelingt, ändert sich bei den Medianden und in der Mediation merklich die Stimmung. Menschen wieder fröhlich zu erleben, die vorher im lähmenden Strudel des Konflikts gefangen waren: das macht für mich auch die Faszination an der Mediation mit aus.

Ein weiterer Interessenschwerpunkt sind bei mir im weitesten Sinne „Forschung und Lehre“. Schon während meiner Promotionszeit habe ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni gerne unterrichtet und mein Wissen weitergegeben. Genau so ist es für mich nun auch mit der Mediation: ich liebe es, Workshops zu gestalten und mit Menschen zu arbeiten, die sich weiterbilden und in den Austausch gehen möchten. Wissen zu vermitteln und neue Themengebiete zu erschließen: das macht mir wirklich große Freude.

6. Wenn ihr von Mediation erzählt, was sind die häufigsten Fehlvorstellungen?

Clara: Eine der häufigsten Fehlvorstellungen, die mir bisher begegnet ist, betrifft den Anwendungsbereich der Mediation. „Ach nein, dafür braucht es doch keine Mediation!“, habe ich nicht nur einmal gehört. Doch gerade auch für niederschwellige Konflikte, Unstimmigkeiten und den Umgang mit unterschiedlichen Auffassungen ist Mediation ein wunderbares Verfahren. So muss es bei einer Mediation beispielsweise nicht immer nur um die „großen Themen“ wie Trennung oder Scheidung gehen, sondern es kann sich auch um ganz alltägliche Fragen wie z.B. das nächste Urlaubsziel handeln. Ganz häufig verbirgt sich hinter diesen Themen ja doch eine etwas grundsätzlichere Frage.

Kerstin: Bei mir wären es folgende Sätze:

„Ach wie schön, du machst jetzt Meditation!“ – Naja, nicht ganz, aber so etwas Ähnliches eigentlich auch nicht. Mediation is not Meditation! Aber dazu an anderer Stelle mehr…

„Das ist ein bisschen wie Therapie oder ein netter Gesprächskreis, oder?“ – Nein, weder das eine, noch das andere. Beides sind ebenfalls legitime und wichtige Möglichkeiten und Anlaufstellen, eine Mediation ist jedoch etwas anderes.

„Da wird geredet um des Redens willen!“ – Es wird sicherlich geredet, ohne Reden wird es schon eher schwierig. Jedoch immer mit dem Fokus auf die Beweggründe und auf die Lösung hin, mit Blick in die Zukunft, und nicht nur, weil Kommunikation so schön ist.

Clara: Ein Klassiker ist auch: „Der Mediator ist der Löser des Konflikts.“ – Häufig ist die Erwartungshaltung, dass in der Mediation eine Art Beratung passiert, also konkrete Lösungsansätze präsentiert werden, die dann nur noch umzusetzen wären. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Kernprinzip der Mediation ist die Eigenverantwortlichkeit, und das stellt für die Medianden am Anfang teilweise eine echte Herausforderung dar.

7. Inwiefern hat die Mediationsausbildung neue Erwartungen in eurem Umfeld geweckt? Gibt es Fragen, die euch besonders oft gestellt werden?

Kerstin: „Nachdem du jetzt sozusagen die Fachfrau für Konfliktlösung bist, hast du sicherlich selbst keine Konflikte mehr in deinem Leben?“ – Das wäre ein schöner, aber viel zu simpler Rückschluss. Ich gehe anders mit Konflikten um, auch schon im Vorfeld, und habe mittlerweile eine andere Werkzeugkiste, aber natürlich habe ich auch weiterhin Konflikte in meinen Leben. Wir alle sind nur Menschen und befinden uns in einem, unserem System und haben unsere eigene Wahrnehmung, wie die Welt funktioniert. Es ist immer einfacher, von außen auf einen (fremden) Konflikt zu schauen, als Teil eines (eigenen) Konfliktes zu sein.

Clara: In meinem Fall war es so, dass viele meiner Bekannten zunächst überrascht waren von meinem Plan, nach der jahrelangen juristischen Ausbildung nun auch noch eine Mediationsausbildung zu starten. Ganz besonders überrascht hat das natürlich, weil ich mich über mehrere Jahre hinweg intensiv dem Strafrecht verschrieben hatte. Die Schnittmenge mit der Mediation ist da eher gering – zumindest auf den ersten Blick. Denn auch im Strafrecht gibt es ja mit sogenannten Verständigungen oder dem Täter-Opfer-Ausgleich einzelne Bereiche, in denen gewissermaßen miteinander „verhandelt“ wird oder ein kommunikativer Prozess zwischen den Konfliktbeteiligten (wenn man denn die Straftat als „Konflikt“ begreifen will) stattfindet. Ich selbst erlebe meine Entscheidung für die Mediationsausbildung ohnehin nicht als Bruch mit meiner bisherigen Laufbahn. Stukturiertes Denken, Problemlösungskompetenz und vieles mehr – all das sind Dinge, die neben dem vertieften Fachwissen im Jurastudium vermittelt und geschult werden und mir nun in vielerlei Hinsicht auch in der Mediation zugute kommen. So war dann auch das Modul über „Recht in der Mediation“ in der Ausbildung für mich eine schöne Wiederholung und ein Unterwegssein auf sehr vertrautem und mir gut bekanntem Terrain.

8. Worauf habt ihr bei der Wahl eures Ausbildungsinstituts geachtet?

Clara: Für mich war unter anderem wichtig, ob ich die Ausbildungsleiter sympathisch finde und dass sie über den Bundesverband Mediation (BM) lizensiert sind. Hinzu kam aber auch, dass wir in der Mediationsausbildung verschiedene Ausbilder hatten und so unterschiedliche Stile und Persönlichkeiten kennenlernen konnten. Mir kam außerdem das berufsbegleitende Modell der verblockten Ausbildungswochenenden, die in der Regel von Freitag bis Sonntag stattfanden, sehr entgegen.

Kerstin: Meine Kriterien decken sich in großen Teilen mit dem, was Clara bereits gesagt hat: Qualität der Ausbildung und Referenten, neben dem Selbststudium gibt es einen hohen Anteil an Präsenzveranstaltungen, der selbst während der Pandemie durch flexible Anpassung und Umorganisation aufrechterhalten werden konnte. Letztendlich war für mich auch die hohe Intensität des Lehrgangs wichtig, die trotzdem neben einem Vollzeitjob machbar ist.

9. Welche Erfahrung war für euch prägend?

Kerstin: Hm, da gibt es im Verlauf der Ausbildung und bei den Mediationen sicherlich einige. Was mir immer wieder in den Sinn kommt, ist ein Erlebnis zum Thema „Informelle Macht“. Obwohl mir dieses Phänomen bekannt war, obwohl auch in der Ausbildung das Thema bewusst bearbeitet und theoretisch vertieft wird, ist es mir dann doch in der ersten, realen Mediation passiert: Ich habe bestimmte Verhaltensweisen erst spät als informelles Machtinstrument erkannt, was bedeutet, dass ich es auch erst spät adressieren und in die Dynamikgleichung einbeziehen konnte. Die Mediation hat zwischen zwei angehenden Führungskräften stattgefunden. Ohne hier ins Detail zu gehen, hat sich die informelle Macht hier nicht nur recht offen durch wiederholte Kündigungsdrohungen und einseitige Freundschaftsbande zur übergeordneten Hierarchieebene gezeigt. Die informelle Macht war auch dort aktiv, wo subtiles, auf den ersten Blick weiches Verhalten oder passive Reaktionen zu beobachten waren. Konkret spreche ich in diesem Fall von Tränen und kurzfristigen, emotional begründeten Terminabsagen nach Eskalationen außerhalb der Mediationssitzungen. Bevor ich an informelle Macht gedacht habe, hat es zuerst meine natürliche Resonanz und meine Empathie aktiviert. Aber auch Tränen und eine immer wieder kurzfristige, fast unverbindliche Termin-Jonglage können ein Mittel sein, um Druck zu erzeugen und Macht auszuüben. Der anderen Partei, aber auch mir als Mediatorin gegenüber. Diese eben beschriebenen „weichen“ Reaktionen sollen hier nicht grundsätzlich diskreditiert werden, das muss ich vielleicht an dieser Stelle betonen, um kein schiefes Bild zu zeichnen. Es kann natürlich auch Ausdruck persönlichen Leids sein. Das eine schließt das andere jedoch nicht aus, und in jedem Fall weißt es auf einen emotionalen Druckzustand hin, den ich mir als Mediatorin so oder so näher ansehen muss. Ich habe aus diesem Erlebnis gelernt, noch genauer hinzuschauen und meine eigenen automatischen Empathieverstärker noch mehr zu reflektieren und abzugleichen.

Clara: Mein Schlüsselerlebnis geht in eine etwas andere Richtung. Für mich war es die Teilnahme an einer Mediation als Mediandin – gewissermaßen ein echter Perspektivenwechsel. Das Verfahren der Mediation einmal aus der Rolle der Teilnehmenden und Konfliktbeteiligten (zumal aus einem realen Konflikt heraus) zu erleben, war für mich eine wirklich wertvolle Erfahrung. Auch meinen Blick auf die Mediation, meine Sensibilität für die Situation der Medianden, hat dieses Erlebnis noch einmal verändert und geschärft: da wären zum einen die Unsicherheit im Vorfeld, die Anspannung und der Druck, die vorhanden sein können, aber auch die „Überzeugungsarbeit“, die nötig sein kann, um den anderen Konfliktbeteiligten überhaupt dazu zu bewegen, sich auf eine Mediation einzulassen. Zum anderen, und das ist für mich ein wirklich wichtiger Punkt, habe ich den „Zauber der Mediation“ selbst erlebt. Damit meine ich sowohl den „Gänsehautmoment“, wenn eine fast schon magische Stille eintritt und spürbar ist, dass der Konflikt sich auflöst, weil die beiden Seiten einander endlich verstehen. Mit dem „Zauber der Mediation“ meine ich aber auch die Tragfähigkeit einer selbst erarbeiteten Lösung, die Kerstin bereits angesprochen hat. Sich die Zeit zu nehmen und sich bestimmte Dinge genauer anzusehen, sich verschiedene Optionen zu überlegen und sich schließlich auf eine gemeinsame Lösung zu einigen: das kann erst einmal anstrengend und mühsam sein, lohnt sich aber voll und ganz. Gerade für die kreativen Win-Win-Lösungen, für die die Mediation ja allgemein bekannt ist, braucht es meiner Ansicht nach allerdings die Unterstützung von außen, einen unbeteiligten Dritten, der einen Abstand zum Geschehen hat und noch einmal anders auf die Dinge schauen kann. Wie wichtig die Unterstützung durch eine Mediatorin oder einen Mediator für den Prozess der Konfliktbearbeitung ist, habe ich selbst erlebt, erhalte ich aber genauso immer wieder als Feedback von meinen Medianden.

10. Und wenn ihr mal nicht arbeitet, wo findet man euch?

Kerstin: Naja, für mich war und ist es immer so, und das empfinde ich auch als eine Form von immateriellen Luxus, dass ich das, was ich beruflich mache, nicht so einfach vom Privaten trennen kann. Es sind Leidenschaften, die fließend in die Freizeit übergehen. Ich habe fast immer ein Buch dabei, gerne Literarisches oder auch sehr gerne mal ein Krimi mit viel Lokalkolorit. Man findet mich natürlich in Museen und bei anderen kulturellen Veranstaltungen, beim Flanieren durch die Stadt und antike Ruinen. Dingen, denen ich dank der Fliegerei nun auch weltweit nachgehen kann. Genauso wie meiner Freude an gutem Essen und meinem wachsenden Interesse an der Welt des Weins. Ich liebe es, neue Orte und Menschen zu entdecken, mal mit, mal ohne Plan. Neben der Stadt brauche ich genauso das Land, da schlagen sicherlich zwei Herzen in meiner Brust. Ob Wasser oder Berge, ich mag es im Grünen zu sein, gerne zusammen, genauso gerne auch mal alleine. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, so dass für mich die Natur einfach dazugehört. Zurzeit mit einem kleineren Balkonprojekt, irgendwann sicherlich auch mit einem Garten.

Clara: Die Liebe für Bücher und zur Natur, das haben Kerstin und ich auf jeden Fall gemeinsam. Ich ziehe mich auch gern in die Stille zurück – das ist für mich eine echte Kraftquelle. Auch beim Spazierengehen kann ich meine Gedanken gut sortieren und zur Ruhe kommen. Und dann wäre da natürlich noch meine Schwäche für guten Kaffee. Am ehesten dürfte man mich in meiner Freizeit also vermutlich in einem der unzähligen Münchener Cafés antreffen – das sind meine ganz persönlichen „Third Places“.

Dank

Ein Projekt wie dieses wäre nicht möglich ohne die Unterstützung vieler Menschen, die uns auf unserem Weg als Mediatorinnen und zu diesem Blog begleitet haben und das auch nach wie vor tun. Namentlich bedanken möchten wir uns bei Lisa Waas und Christian Ertl von der Akademie Perspektivenwechsel für inspirierenden Raum und Begleitung durch unsere Ausbildung hindurch und darüber hinaus, bei Anton Hoffmann für wertvollen technischen Support sowie bei Markus Heinrich für unsere Porträtbilder. Ein weiterer Dank gilt Simone Weinsheimer für das schöne Gruppenbild, und natürlich auch unserem Ausbildungskurs, der mittlerweile so viel mehr ist als das – ein Team, Freunde, Kollegen. Wir hätten uns keine bessere Gruppe wünschen können!