Restorative Circles: Interview mit Dana Hoffmann

Dana Hoffmann ist Moderatorin, Trainerin, Coachin und Co-Autorin des Buches Conflict Culture Playbook, das sie zusammen mit Hendric Mostert geschrieben hat und das im September 2024 erschienen ist. Unser Teammitglied und Mediator Thomas Ziehl unterhält sich mit ihr über das Thema Restorative Circles und darüber, was diese Konfliktlösungsmethode ausmacht.

Unsere Interviewpartnerin: Dana Hoffmann

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Thomas: Wie bist Du zu dem Thema Konflikte gekommen?

Dana: Auf das Thema gebracht hat mich mein Freund, Kollege und Co-Autor Hendric Mostert, der eine Methode zur Konfliktbearbeitung kennengelernt hat, die erst ihn und dann mich sehr begeistert hat. In unserer Arbeit als Teamentwickler*innen und systemische Organisationsentwickler*innen (Hendric ist auch Mediator) haben wir festgestellt, dass es beim Lösen von Konflikten selten am guten Willen scheitert, sondern eher am Finden von Räumen und Routinen. Da möchte ich gerne ansetzen.

Thomas: Was fasziniert dich denn am Thema Konflikte?

Dana: Konflikte haben Superkräfte! Konflikte sind immer eine Chance zur Veränderung und zur Verbesserung. Dieses Potential zu haben, fasziniert mich total. In den letzten zwei Jahren, in denen ich mich intensiv mit dem Thema Konflikte beschäftigt habe, hat sich meine Perspektive auf Konflikte sehr geändert. Natürlich mag niemand Konflikte, ich habe sie auch nie gemocht, aber inzwischen sehe ich sie als das was sie sind und möchte Menschen, Teams und Organisationen dabei unterstützen, dieses Potential zu heben.  Konflikte sind nun mal da und lassen sich auch nicht einfach unter den Teppich kehren. Daher rate ich zum Anpacken und Schauen was dahinter steckt. Aus einem solchen Prozess und Dialog kann dann etwas neues entstehen.

Thomas: Wann und wo hast du die Methode der Restorative Circles kennengelernt?

Dana: Auf die Methode hat mich Hendric gestoßen. Die Methode der Restorative Circles ist schon in den 1990er Jahren von Dominic Barter in Brasilien als Antwort auf die hohe Kriminalitätsrate und die damit verbundenen Gewaltspiralen in den Favelas von Rio de Jainero entwickelt worden. Dominic Barter ist ein Vertreter der Restorative Justice, bei der die Wiedergutmachung und der Aufbau von sozialen Beziehungen ein wesentliches Element der Konfliktbearbeitung darstellen und die so eine Alternative zu herkömmlichen Strafverfahren bietet. Restorative Circles heißt, dass in der Gemeinschaft eine Lösung gefunden wird. In der Wirtschaft und in Organisationen ist die Methode allerdings noch weitgehend unbekannt.

Thomas: Was ist denn das Besondere der Restorative Circles im Vergleich zu anderen Methoden der Konfliktbearbeitung z.B. der klassischen Mediation?

Dana: Das besondere ist, dass Restorative Circles immer auf der Systemebene stattfinden. Es sind also nicht unbedingt nur die zwei Personen, die dann eine Lösung suchen, sondern die Konfliktparteien werden im Vorfeld gefragt, wen es denn braucht, um diesen Konflikt zu klären. Dann kommt eine Gruppe von 4-20 Leuten zusammen, um als Gemeinschaft für eine Konfliktklärung zu sorgen. Der wichtigste Schritt ist dabei, gemeinsam ins Verstehen zu kommen, was genau hinter dem Konflikt steckt. Dann kann auch im nächsten Schritt gemeinsam eine Lösung erarbeitet werden. Das ist aber nicht mehr zwingend Teil eines Restorative Circles. Ich bin der Überzeugung, dass Lösungen, die auf  Teamebene zustande kommen, viel tragfähiger und nachhaltiger sind, als Deals, die zwischen zwei Leuten hinter verschlossenen Türen getätigt werden.

Thomas: Wie sieht so ein Restorative Circle in der Praxis aus?

Dana: Wenn ein Konflikt auftritt,  gibt es drei Personen, die einen Restorative Circle einberufen können. Das sind Personen die eine der drei Fragen bejahen können:

 

Wurde etwas gesagt oder mit mir getan, dass ich gerne klären möchte?“

Habe ich etwas gesagt oder getan, dass ich gerne klären möchte?“

Habe ich beobachtet, dass etwas gesagt oder getan wurde, dass ich gerne klären möchte, weil sich der Konflikt auf das Team auswirkt?“

 

Eine dieser Personen kann sich an den*die  Facilitator*in wenden, um einen Restorative Circle zu starten. Dann gibt es mit dieser Person einen Precircle (da es sich um mehrere Kreise handelt auch der Plural bei Restorative Circles), bei dem die belastende Situation analysiert wird und deren emotionale Bedeutung erforscht wird. Auch wird noch gefragt, wer dabei sein muss, um den Konflikt klären zu können. Darauf führt der*die Facilitator*in weitere Vorgespräche (Precircles) mit diesen genannten Personen. So entsteht nach und nach der Personenkreis, der nötig ist, um den Konflikt zu klären. Das kann im Unternehmenskontext ein Team sein, muss aber nicht darauf beschränkt sein. Es könnte beispielsweise noch eine Person aus dem Betriebsrat dabei sein usw.

 

Beim Main Circle kommen dann all diese Personen zusammen, sofern sie möchten (auch hier gilt das Prinzip der Freiwilligkeit). Meine Rolle als Facilitatorin ist es, dann diesen Dialogprozess sicherzustellen. Das heißt in diesem Fall, es gibt drei Fragenpakete, die ich immer wieder wiederhole:

 

Wie geht es dir jetzt mit dem, was damals passiert ist?“

Was ist bei dir angekommen? Was hast du verstanden?“

Ist es das was du sagen wolltest?“

 

Das geht dann so lange, bis gegenseitiges Verständnis da ist. In der Praxis kann das aber manchmal ziemlich durcheinander gehen, so dass auch z.B. ältere Konflikte angesprochen werden oder andere Themen aufkommen. Als Facilitatorin begleite ich den Prozess, in dem ich immer wieder diese Fragen stelle. Dafür braucht es dann vor allem soft skills wie Empathie, Offenheit und gutes Zuhören.

 

Ich gehe dabei immer das Tempo des Systems und bemühe mich auch, die Sprache des Systems zu sprechen. Andere Interventionen sind dabei nicht vorgesehen, sondern ich stelle den Dialog sicher und bringe diese Fragen in den Raum. Der Fokus liegt ganz klar bei der Klärung. Die Lösungsfindung bzw. des Aufstellen eines Handlungsplans ist eher optional. Im Anschluss gibt es noch einen Post Circle, bei dem beispielsweise eine im Main Circle ausgearbeiteter Handlungsplan reflektiert wird.

 

Dadurch dass ich als Faciltatorin wenig eingreife, fördert die Methode die Eigenverantwortung des Systems. Mein Mantra ist dabei: „Trust the Process“und „Trust the system.“

Thomas: Wird die Rolle des*der Facilitators*in dabei von externen oder internen Leuten besetzt?

Dana: In unserem Traum wäre es so, dass es beispielsweise in einem mittelgroßen Unternehmen in jeder Abteilung Menschen gibt, die in dieser Methode ausgebildet sind. Der*die  Facilitator*in darf dabei aber selbst nicht Teil des einzelnen Konfliktsystems sein. So könnten restaurative Systeme entstehen, die in der Lage sind, sich selbst von innen heraus zu heilen.

Thomas: Für welche Art von Konflikten und für welche Zielgruppe sind denn die Restorative Circles besonders geeignet?

Dana: Wenn ich sage, für alle, glaubt mir das vermutlich keiner. (lacht)

Momentan werden die Restorative Circles, wenn überhaupt, im familiären bzw. sozialen Kontext angewendet. Da zeigt sich auch ein bisschen die Verwandtschaft zu den Strukturaufstellungen. Bei den Restorative Circles kann auch mit Stellvertreter*innen gearbeitet werden, falls eine Person nicht teilnehmen kann oder möchte.

Grundsätzlich eignet sich die Methode für fast jeden Konflikt in fast jedem Setting. Hilfreich ist es, wenn die Teilnehmenden schon mal Erfahrungen damit gemacht haben, Gefühle und Bedürfnisse zu benennen. Das ist aber keine Voraussetzung. Ich als Facilitatorin kann dann entsprechende Angebote machen und so einen Perspektivenwechsel ermöglichen.

Konflikte in Familien, Vereinen und auch Unternehmen lassen sich mit Restorative Circles sehr gut bearbeiten. Noch besser wäre es aber, wenn man die Circles gar nicht mehr braucht, da schon vorher Dialogformate zu Routinen geworden sind, so dass Spannungen gar nicht erst weiter eskalieren. Ideal wäre ein gutes Gleichgewicht aus präventiven Maßnahmen (z.B. GfK-Schulungen, Teamspace-Meetings) und reaktiven Maßnahmen wie Mediation und eben die Restorative Circles.

Thomas: Wo kann man die Methode der Restorative Circles lernen?

Dana: Man kann z.B. einen sehr intensiven Wochenendworkshop bei Hendric und mir besuchen. Da geht es ausschließlich um die Restorative Circles und die damit verbundene Haltung und das Erlernen der einzelnen Schritte.

Thomas: Vielen Dank für das Gespräch und eine gute Zeit.

Buchtipp:

Hendric Mostert, Dana Hoffmann: Conflict Culture Playbook, Murmann Verlag 2024