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Das (Nicht-)Erkennen von Ansätzen für Mediation an einem Beispiel aus der Arbeitswelt

Von Jörg Sievers

Der folgende Beitrag berichtet über einen Konflikt, der mir im Arbeitskontext begegnet ist und sich meiner Meinung nach gut für eine Mediation geeignet hätte. Von dem Konflikt erfahren habe ich bei den alljährlichen Mitarbeitergesprächen. Ein Mitarbeiter bat mich hier um Hilfe. Er war mit seiner Führungskraft, die mich im Vorfeld ebenfalls kontaktiert hatte und zur Zielerreichung des Mitarbeiters befragt hat, uneins über die persönliche Zielerreichung. Beiden Konfliktparteien habe ich die Vermittlung eines Mediators angeboten. Das wurde jedoch von beiden Seiten abgelehnt.

Das Mitarbeitergespräch

In einem jährlich stattfindenden Mitarbeitergespräch zwischen einer Führungskraft und einem Mitarbeiter herrschte Uneinigkeit über den Grad der Zielerreichung einer persönlichen Zielvorgabe. Der Grad der Zielerreichung stellte die Basis für die Höhe des jährlichen Mitarbeiter-Incentives dar und war für beide Seiten ersichtlich von Bedeutung. Die Führungskraft war der Meinung, dass nur 80% des definierten Ziels erreicht wurden. Der Mitarbeiter hingegen vertrat die Meinung, das Ziel mit 120% übererreicht zu haben. Da das Ziel in der Zielvereinbarung nur sehr vage beschrieben war, bot sich ein größerer Interpretationsspielraum bei der Bestimmung der Zielerreichung und gab Anlass für den Konflikt.

Die Eskalation

Auch nach mehreren Gesprächen hielten beide Parteien an ihren Positionen fest. Jede der beiden Seiten eskalierte den Konflikt weiter. Die Führungskraft schaltete die nächste Managementebene und die Personalabteilung ein. Die Möglichkeit einer Abmahnung wurde diskutiert. Der Mitarbeiter wiederum sammelte schriftliche Bewertungen der eigenen Arbeit von Kolleginnen und Kollegen ein und beschwerte sich beim Projektleiter. Teilweise haben beide Parteien auch nicht mehr miteinander gesprochen, sondern nur noch schriftlich miteinander kommuniziert. Im Stufenmodell der Konflikteskalation nach Glasl (vgl. Glasl, Friedrich (2020): Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führung, Beratung und Mediation, 12. Aufl., Stuttgart, S. 243-314) befand sich der Konflikt damit bereits in der Eskalationsstufe 3 mit Tendenz zur Eskalationsstufe 4.

Weiterer Verlauf des Konflikts

Durch gutes Zureden von allen Seiten konnten sich die Führungskraft und der Mitarbeiter dann nach ca. drei Wochen auf eine 100% Zielerreichung einigen. Direkt nach der Einigung hat der Mitarbeiter allerdings gekündigt. Die Kündigung hat eine große fachliche Lücke hinterlassen. Der Wert des Incentives, um den es letztendlich bei diesem gut bezahlten Mitarbeiter ging, belief sich auf einen kleinen vierstelligen Betrag.

Weshalb eine Mediation in diesem Fall hilfreich gewesen wäre

Das Angebot, einen Mediator oder eine Mediatorin hinzuzuziehen, stand im Raum, wurde allerdings abgelehnt. Damit wurde das Potential einer Mediation nicht genutzt: 

Im Rahmen einer Mediation hätte vermutlich zügig herausgearbeitet werden können, dass es nicht primär um das Geld (also den konkreten Betrag des Mitarbeiter-Incentives) ging, sondern um andere Dinge, wie zum Beispiel einen drohenden Gesichtsverlust auf Mitarbeiterseite oder die Angst vor Autoritätsverlust auf der anderen Seite.

So hätte auch die Kündigung des Mitarbeiters vermieden werden können, die nicht nur eine große fachliche Lücke hinterlassen hat, sondern auch Folgekosten hinsichtlich Neueinstellung, Ausbildung und Einarbeitung verursacht hat. Auf diese Weise ist letztlich weit mehr als nur das Potential eines Mitarbeiters verloren gegangen.

Fazit

Der Arbeitsplatz bietet häufig Anlass für Konflikte. Es gibt Mobbing und Bossing, Streitigkeiten in Teams und teamübergreifend, oder es geht um Abmahnungen oder Kündigungen. Bei all diesen Themen kann eine Mediation helfen. Das Unternehmen spart sich dadurch vielleicht einen Arbeitsgerichtsprozess oder zumindest langfristige Unzufriedenheiten und innere Kündigungen.

Hinweis: Zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Beteiligten ist der Fall stark anonymisiert wiedergegeben.