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Heiß oder kalt?
Was die "Konflikttemperatur" für die Mediation bedeutet

Von Clara Herz

Die Art und Weise, wie Konflikte ausgetragen werden, kann ganz unterschiedlich sein: mal reagieren wir laut, Türen knallen, wir streiten miteinander. In anderen Situationen wird der Konflikt weniger sichtbar ausgetragen: wir ärgern uns im Stillen, gehen auf Distanz, vermeiden zunehmend den Kontakt und ziehen uns zurück. In der Konflikttheorie ist hier von heißen bzw. kalten Konflikten die Rede. Was genau es mit dieser Unterscheidung auf sich hat und welche Konsequenzen sich daraus für die Mediation ergeben: darum geht es in dem folgenden Beitrag.

Worin unterscheiden sich "heiße" und "kalte" Konflikte?

In einem heißen Konflikt wird viel Energie auf die kämpferische Auseinandersetzung mit der „Gegenseite“ verwendet. Es finden klar erkennbare Angriffe statt – Beschimpfungen können fallen. Die Konfliktbeteiligten verhalten sich konfrontativ, es brodelt, ein Streit also im klassischen Sinne.

Anders ist die Situation bei sog. kalten Konflikten. Hier lässt sich eine zunehmende Lähmung im Verhalten der Konfliktbeteiligten beobachten. Ärger und Frustration werden gerade nicht nach außen getragen, sondern richten sich stattdessen häufig nach innen. Die Auseinandersetzung zwischen den Parteien findet verdeckt und damit gewissermaßen „unter der Oberfläche“ statt. An der Oberfläche hingegen herrscht eisige Stille.

Auch in der Haltung der Konfliktparteien lässt sich ein Unterschied beobachten: während die Beteiligten eines heißen Konflikts tendenziell von dem Bestreben getragen sind, ihre Position und ihr Anliegen durchzusetzen, ist die Situation im kalten Konflikt pessimistisch geprägt. Es herrschen Desillusionierung und Enttäuschung. In der Konsequenz verlagert sich auch die Kommunikation weg vom direkten Gespräch hin zu einem möglichst distanzierten und formalisierten Kontakt. Gewählt wird deshalb oft der Schriftweg.

Wie mit heißen und kalten Konflikten umgehen?

Handelt es sich um einen kalten Konflikt, besteht eine wesentliche Herausforderung für Mediator:innen zu Beginn darin, mit der abwehrenden Haltung der beiden Seiten umzugehen. Die Vermeidung der Konfliktbewältigung kann sich beispielsweise schon allein darin zeigen, dass die Parteien eine Mediation explizit ablehnen oder geplante Treffen immer wieder verschieben. Hilfreich können hier anfängliche Einzelgespräche sein – nicht nur, um Vertrauen in die Person des Mediators und den Prozess aufzubauen, sondern auch, um die Selbstklärung (also das Bewusstwerden der eigenen Situation) zu unterstützen und den Glauben an die Veränderbarkeit der Situation zu wecken.

Im Umgang mit heißen Konflikten sind die Herausforderungen für Mediator:innen anders gelagert. Ein deutlicher Hinweis auf die Gesprächsregeln bei verbalen Angriffen ist dabei ein erster wichtiger Punkt. Umzugehen ist darüber hinaus mit der in dieser Konstellation häufig stark ausgeprägten „Personifizierung“ des Konflikts, also der Vorstellung, dass das Gegenüber der Ursprung allen Übels ist – den Blick auf die Beziehung zwischen den Konfliktparteien zu lenken, kann hier ein wichtiger Schritt in Richtung Konfliktlösung sein.

Den Unterschied erkennen

Da sich bereits der Einstieg in die Mediation, aber auch die weitere Konfliktbearbeitung grundlegend anders gestalten kann, wenn es sich um einen heißen oder um einen kalten Konflikt handelt, sollten Mediator:innen bereits in den Vorgesprächen eine grobe Kategorisierung vornehmen und diese bei der weiteren Planung der Gespräche und des Gesprächssettings entsprechend berücksichtigen. Neben dem Neun-Stufen-Modell der Konflikteskalation gehört die „Konflikttemperatur“ zu den Standard-Analyse-Tools professioneller Konfliktbearbeitung.

Auch losgelöst von einer Mediation kann es hilfreich sein, sich die Frage zu stellen, ob es sich um einen heißen oder um einen kalten Konflikt handelt. Gerade in letzterem Fall leidet häufig Selbstwert der Betroffen, sodass es zunächst einmal vor allem darum gehen kann, wieder neuen Mut zu schöpfen und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken. Ein Konfliktcoaching oder eine Konfliktberatung bieten hierfür mitunter den geeigneten Rahmen.

Ein Modell, das für die nähere Analyse sowohl heißer als auch kalter Konflikte geeignet ist und hilfreiche Aufschlüsse über tieferliegende Interessen und Bedürfnisse der Konfliktparteien liefern kann, ist das Eisbergmodell nach Christoph Besemer. Dieses stellen wir euch in einem eigenen Beitrag vor.

Vertiefungshinweise:

Glasl, Konfliktmanagement, 12. Aufl. 2020, S. 78 ff.

Schwertfeger/Bähner, Arktis oder Sahara? – Die Konflikttemperatur systematisch analysieren, in: Knapp (Hrsg.), Konfliktlösungs-Tools, 7. Aufl. 2021, S. 28 ff.