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Was wächst in meinem Garten?

Von Thomas Ziehl

Nein, du hast dich nicht in der Adresse getäuscht. Du bist hier schon richtig. Ich schreibe heute über meinen „Mediationsgarten“, den ich dieses Jahr so richtig zum Erblühen bringen möchte. Der Frühling meldet sich langsam und die ersten Blüten kommen zum Vorschein. Nachdem ich viele Jahre im Gartenbau gearbeitet habe, weiß ich, dass jetzt die Zeit ist, den Garten zu pflegen. Das heißt: neue Pflanzen aussäen, sich überlegen, welche Stauden man erhalten möchte und auch die Pflanzen entfernen, die man nicht im Beet haben möchte. Das erinnert mich sehr an die Coaching-Technik „Start-Stop-Continue“. Womit möchte ich beginnen? Was möchte ich beenden? Was möchte ich fortsetzen? 

Was heißt das also für meine Tätigkeit als Mediator? Zuerst einmal ein Blick auf das Beet, das vor mir liegt. Ich habe meine Ausbildung zum zertifizierten Mediator an der Akademie Perspektivenwechsel letztes Jahr abgeschlossen, mich selbständig gemacht und inzwischen schon einige Aufträge abgeschlossen. Ich habe vor allem im Bereich Teamentwicklung gearbeitet, einige Workshops und Moderationen gemacht, mich vernetzt und weitergebildet.

Welche Samen werden gesät?

Was also soll neu in das Beet kommen und dieses mit neuen Farben und Formen bereichern? Ich möchte mir mehr Gedanken über das Setting der Mediation machen. Ich habe immer wieder festgestellt, dass es doch einen großen Unterschied macht, ob die Sitzung in einem grauen, tristen Büroraum, online zu Hause am Rechner oder an einem freundlichen, hellen, bequemen Ort stattfindet. Warum nicht auch mal draußen im Park oder vielleicht während eines Spaziergangs. Ich biete ein solches Setting für mein Konfliktcoaching an und kann mir vorstellen, dass es Fälle und Kunden gibt, wo dies auch für eine Mediation gut klappen könnte.

Das führt mich auch gleich zum nächsten Samentütchen, das ich öffnen möchte: Nämlich Mut, neue Dinge auszuprobieren und auch mal ungewöhnlicheren Pflänzchen eine Chance zu geben. Ich beschäftige mich gerade intensiv mit dem Thema Facilitation. Warum nicht auch Techniken aus diesem Bereich (wie zum Beispiel die von mir sehr geschätzten Liberating Structures) in der Mediation einsetzen, selbst wenn ich dann ein Stück weit das klassische Phasenmodell verlasse. Oder wie schon gerade erwähnt, ein ungewöhnliches Setting wählen. Das könnte auch als Musterunterbrechung hilfreich sein und die Medianden beim Perspektivenwechsel unterstützen. Ich bin schon sehr gespannt, wie sich die Aussaaten entwickeln werden und wie sie sich in meinen Garten etablieren.

Welches Kraut muss weichen?

Um etwas neues zu pflanzen, braucht es Platz. Das heißt, ich werde auch etwas aus meinem Garten entfernen müssen, was sich zu sehr ausgebreitet  hat und mir nicht mehr gefällt. Zuerst denke ich da an etwas, das eher mit meiner Selbstständigkeit als mit Mediation an sich zu tun hat. Es ist die Vermischung von Arbeitszeit, Freizeit und meinen Fürsorgeaufgaben. Hier noch schnell eine Mail schreiben, dort einen Fachartikel lesen oder noch ein Telefonat führen, bevor ich die Kinder von der Schule hole oder bei den Hausaufgaben helfe. Hier brauche ich auf jeden Fall noch etwas mehr Balance und Klarheit.

Von was ich mich auch verabschieden möchte, ist der Drang, unbedingt an einen interessanten Fall zu kommen. Das fand ich vor allem in meiner Anfangszeit als Mediator wenig hilfreich, zumal ich glaube, dass  ich meinen Kunden vor allem dann optimal helfen kann, wenn ich innerlich frei bin, auch um den Fall gegebenenfalls nicht anzunehmen und an eine Kollegin oder einen Kollegen weiterzuvermitteln. Bewusstheit über die eigenen Bedürfnisse zu erlangen und sich dann im nächsten Schritt davon zu befreien, ist eine ständige Herausforderung. Für mich habe ich gelernt, dass es hinderlich ist, wenn ich versuche, mir Bedürfnisse, wie Anerkennung, finanzielle Sicherheit oder vielleicht auch Zugehörigkeit, über meine Arbeit als Mediator zu erfüllen. Denn dies hält mich davon ab, Aufträge abzulehnen, die sinnvoller von jemand anderem gemacht werden können oder wo ich feststelle, dass Mediation kein geeignetes Verfahren ist.

Was soll so bleiben?

Als letztes möchte ich mir noch überlegen, welche Stauden ich gerne erhalten und mit ein bisschen Extrapflege verwöhnen möchte. Zum einen wäre das vor allem das Netzwerk aus geschätzten Kolleginnen und Kollegen. Der Austausch mit anderen und die Inspiration daraus ist unendlich wertvoll. Über die Ausbildung, Intervision, verschiedene Treffen und Workshops habe ich so viele interessante Leute kennengelernt und dafür bin ich sehr dankbar. Vielleicht lässt sich das ja noch mit Formaten wie kollegialer Beratung intensivieren.

Was ich auch gerne erhalten und ausbauen möchte, ist das Reflektieren der eigenen Erfahrungen. Das sind für mich die Gelegenheiten, zu lernen und zu entdecken, was für mich gut und was weniger gut funktioniert und so neue Möglichkeiten der Entwicklung zu eröffnen. Von Zeit zu Zeit ist auch eine kleine Betrachtung meines Mediationsgartens, wie jetzt gerade, ganz hilfreich.

Wie sieht euer Garten aus? Welche Samen wollt ihr ausstreuen? Wo braucht ihr eine Harke? Was wollt ihr erhalten und pflegen?