Klärungshilfe: Interview mit Nicola Disko

Nicola Disko ist erfahrene Mediatorin und Klärungshelferin, Architektin und Coach. Mit unserem Teammitglied Thomas Ziehl hat sie sich über die Besonderheiten der Klärungshilfe und ihre Leidenschaft für Konfliktklärung unterhalten.

Unsere Interviewpartnerin: Nicola Disko

 

Kontakt: 

https://nicoladisko.de/

 

Weitere Links:

https://www.institut-fuer-klaerungshilfe.de

https://klaerungshelfer.net

Thomas: Wie bist du zu dem Thema Konflikte gekommen?

Nicola: Das frage ich mich auch manchmal. Wie die meisten mag ich Konflikte nicht! Und jetzt beschäftige ich mich damit hauptberuflich… Vielleicht ist das sogar der Grund, der mich dahin gebracht hat. Seit meiner Kindheit habe ich ein starkes Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Frieden. Aus diesem Grund hatte ich kurz die Idee Jura zu studieren – und habe mich dann doch für Architektur entschieden. Als ich dann viele Jahre später an der Architektenkammer eine einjährige Ausbildung zur Mediatorin gemacht habe, war ich begeistert von der dort vermittelten Haltung, mit der man Konflikten auch begegnen kann. Konflikte mag ich zwar immer noch nicht. Doch anstatt ihnen aus dem Weg zu gehen, habe ich akzeptiert, dass sie unvermeidbar sind, und verstanden, dass wir sie verantwortlich angehen sollten. Nur dann gibt es eine Chance der Weiterentwicklung.

Thomas: Wann und wo hast du die Methode der Klärungshilfe kennengelernt?

Nicola: 2017 habe ich eine Ausbildung zur Klärungshelferin bei Christian Prior gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits drei Jahre Mediatorin und durfte hier nochmal eine Art der Konfliktklärung kennenlernen, die mir sehr entspricht. Für mich war es eine wichtige Ergänzung zu der interessensorientierten Mediation und hat mich auch persönlich geprägt. Die Klarheit, die wir in der Klärungshilfe erreichen wollen, habe ich während der Ausbildung auch für mich gesucht. Dies hat dazu geführt, dass ich mich entschieden habe, nicht mehr als Architektin zu arbeiten und mich nur noch auf Mediation zu fokussieren.

Thomas: Was ist denn das Besondere der Klärungshilfe im Vergleich zur klassischen Mediation?

Nicola: Die von Dr. Christoph Thomann entwickelte Klärungshilfe geht besonders auf das schwierige Miteinander im zwischenmenschlichen Bereich ein – Reibungen, Missverständnisse, schlechtes Klima.  All dies Schwierige kommt auf den Tisch, wird klar benannt und besprochen. Dies ist die Philosophie der Klärungshilfe: „Der einzige Weg hinaus führt hindurch“. Dazu gehören auch vergangene Verletzungen. Erst wenn diese angesprochen und geklärt sind, können die Parteien sich wirklich darauf einlassen, einen gemeinsamen Blick in die Zukunft zu richten und diese neu zu gestalten. Kurz und knapp: „Vergangenheit verstehen – Gegenwart klären – Zukunft planen“.

Thomas: Das hört sich so an, als könnte es in einer Klärungshilfe-Sitzung auch ganz schön intensiv werden, gerade in emotionaler Hinsicht. Wie gehst du damit um, wenn diese starken Emotionen im Raum sind?

Nicola: Ja, das stimmt: Oft wird es intensiv. Und es kann für alle Beteiligten herausfordernd sein, diese Spannung auszuhalten. Diese schwierigen Gefühle haben in der Klärungshilfe einen besonderen Stellenwert. Sie werden nicht reglementiert, sanktioniert oder gar ignoriert, sondern thematisiert und vertieft. Häufig verlieren sie dadurch ihre Gefährlichkeit und werden produktiv.

Wie gehe ich damit um? Ich habe das Glück, ruhig und konzentriert bleiben zu können, gerade wenn es um mich brodelt. Ich gehe in Resonanz zu allen Teilnehmenden, arbeite mit wertfreiem Wohlwollen und gleichzeitig einem ruhigen und unerschrocken Ansprechen der Dinge, die sich da zeigen. Ich empfinde es als Geschenk, wenn sich Emotionen zeigen. Da bewegt sich dann oft etwas, auch beim Gegenüber.

Und dann verwenden wir in der Klärungshilfe ja noch die wunderbare Technik des „Doppelns“, in der der Klärungshelfer abwechselnd für die Parteien spricht. Dies entspricht einem Übersetzen zwischen den Konfliktparteien, welches oft vermittelnd wirkt und zu größerem Verständnis führt. Es entsteht Kontakt – zu sich, zur Situation und zum Gegenüber.

Anders als eine klassische Mediation erfolgt Klärungshilfe in einem konzentrierten Zeitrahmen von ca. 1,5 Tagen. Es werden keine Gesprächsregeln vereinbart oder Formulierungsempfehlungen gegeben, ein Vorwurf oder eine Du-Botschaft sind durchaus in Ordnung.

Eine weitere Besonderheit ist, dass keine Einzelvorgespräche geführt werden. Vielmehr nutzen wir das Potential der Emotionen beim ersten Erzählen für die Klärung. Eine Ausnahme bilden Vorgespräche mit der Führungskraft bei hierarchischen Konflikten.

Die Klärungshilfe ist, wie andere Verfahren (etwa auch die Mediation), sehr strukturiert und läuft in sieben Phasen ab:

  • Auftragsklärung: die aktuelle Situation und Motivation wird erörtert, das Vorgehen geplant.
  • Anfang: Kennenlernen, Erläuterung des Ablaufes und Klärung der Bedingungen.
  • Selbstklärung: jeder der Konfliktbeteiligten schildert seine Sicht der Dinge, die zu klärenden Themen werden identifiziert.
  • Dialogphase: Die unterschiedlichen Betrachtungsweisen werden in einen verlangsamten Streitdialog gebracht. Im Gespräch entsteht Klarheit über die Situation, die vorhandenen Gefühle und Beziehungen. Dies bewirkt ein gegenseitiges Verstehen.
  • Erklärungen und Lösungen: der Klärungshelfer beschreibt den Konflikt und dessen Ursachen aus seiner Sicht. Gemeinsam entwickeln die Parteien alltagstaugliche Lösungen.
  • Abschluss: Rückblick auf den Prozess und Planung, wie es weitergeht.
  • Nachsorge: Nachbereitung in einem zeitlichen Abstand. Evtl. Coaching der Führungskraft.
Thomas: Für welche Art von Konflikten und für welche Zielgruppe ist die Klärungshilfe denn besonders geeignet?

Nicola: Hauptsächlich wird diese Methode eingesetzt, wenn die Streitparteien auch nach der Klärung noch Kontakt haben wollen oder müssen. Das kann im innerbetrieblichen Kontext sein wie im privaten. Fälle, bei denen die emotionale Beziehung im Vordergrund steht und bei denen es nicht ausreicht, sich auf sachlicher Ebene auseinanderzusetzen. Bei der strittigen Diskussion um eine Umgehungsstraße würde ich die klassische Mediation bevorzugen.

Thomas: Wo kann man denn Klärungshilfe lernen?

Nicola: Sehr empfehlen kann ich die Ausbildung bei Christian Prior mit Solveig Hornung am Institut für Klärungshilfe in München. Ursprünglich entwickelt hat die Klärungshilfe Christoph Thomann zusammen mit Friedemann Schulz von Thun. Die Ausbildung von Christoph Thomann in der Schweiz wird leider nicht mehr angeboten. Das Schulz von Thun Institut in Hamburg hat eine Ausbildung im Programm, ebenso Tilman Metzger (Hamburg),  Barbara Kramer (Köln) und Peggy Keller (Frankfurt). Zusammen mit meiner Kollegin Bettina von Lovenberg habe ich dieses Jahr ein Einstiegsseminar zur Klärungshilfe für Mediator:innen und Coaches angeboten. Möglicherweise wird es nächstes Jahr wieder so ein Angebot geben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Vertiefende Literatur zur Klärungshilfe:

Christoph Thomann, Friedemann Schulz von Thun: Klärungshilfe 1 – Handbuch für Therapeuten, Gesprächshelfer und Moderatoren in schwierigen Gesprächen. 7. Auflage, Rowohlt-Taschenbuch-Verlag 2014.

Christoph Thomann: Klärungshilfe 2 – Konflikte im Beruf – Methoden und Modelle klärender Gespräche. 5. Auflage, Rowohlt-Taschenbuch-Verlag 2012.

Christoph Thomann, Christian Prior: Klärungshilfe 3 – Das Praxisbuch. 7. Auflage, Rowohlt-Taschenbuch-Verlag 2022.

Christoph Thomann, Barbara Kramer (Hrsg.): Klärungshilfe konkret. Konfliktklärungen im beruflichen, privaten und öffentlichen Bereich. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag 2013.