Coaching und Mediation: Interview mit Antje Henkel-Algrang

Im Bundesverband Mediation e.V. (BM) ist Antje Henkel-Algrang nicht wegzudenken: Sie ist nicht nur Redakteurin der Fachzeitschrift „Spektrum der Mediation“, sondern auch des verbandsinternen Newsletters, der die mittlerweile über 3.000 Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen, Veranstaltungen und vieles mehr informiert. Im Raum München ist sie unter anderem als selbständige Mediatorin und Coachin tätig. Mit Clara hat sie über ihre Begeisterung für Systemische Aufstellungen, aktuelle Herausforderungen in der Coachingarbeit und ihre ganz persönliche Hintergrundgeschichte zur Mediation gesprochen.

Antje Henkel-Algrang

Mediatorin, Systemische Coachin, Transformationsbegleiterin und Konfliktcoachin bei wetransform (https://www.wetransfrm.de/). Studium der Geschichts- und Kulturwissenschaften sowie Publizistik und Kommunikationswissenschaften M.A., ausgebildete Tischlerin. Antje lebt und arbeitet in München.

Homepage: https://henkel-algrang.de/

Kontakt: info@henkel-algrang.de

Clara: Im Team von About Mediation sind wir immer wieder fasziniert von den unterschiedlichen Zugängen zur Mediation. Deshalb auch an dich die Frage: Wie kamst du zur Mediation?

Antje: Ich bin schon lange begeistert von Mediation. Das erste Mal, als ich mit dem Thema in Berührung kam, war Anfang der Nullerjahre, als ich in meinem Job als Pressereferentin einen großen Konflikt hatte. Ich wollte den Konflikt gerne mit einer Mediation lösen, aber mein Vorgesetzter schmetterte das mit dem Satz „Wir haben keine Konflikte“ ab. Das ärgerte mich ziemlich.

Kurze Zeit später bin ich dann zu einem neuen Arbeitgeber gewechselt. Dort geriet ich zufällig als Unbeteiligte in einen Konflikt. Die Situation blockierte uns alle so sehr, dass ich mich einmischte und versuchte, zu schlichten. Das hat tatsächlich ganz gut geklappt. Die beiden Konfliktbeteiligten haben mir hinterher gesagt, dass ich das echt gut gemacht habe und ob ich schon mal darüber nachgedacht hätte, mich zur Mediatorin ausbilden zu lassen. Das war der Moment, in dem ich mir gesagt habe: „Das ist es! Das will ich machen!“

Also habe ich mich noch am selben Tag für eine Mediationsausbildung angemeldet. Ich habe bei der wunderbaren Dr. Birgit Keydel gelernt und bin seitdem als Mediatorin tätig. Ich liebe meinen Job, weil ich Menschen dabei helfen kann, ihre Konflikte konstruktiv und nachhaltig zu lösen. Das ist ein tolles Gefühl.

Clara: Neben der Mediation hast du dich unter anderem auch auf Systemische Aufstellungen spezialisiert. Was macht für dich den Reiz an der Aufstellungsarbeit aus?

Antje: Mich fasziniert an Systemischen Aufstellungen, dass sie ein so kraftvolles und tiefgreifendes Werkzeug sind, um Menschen in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu unterstützen. In einer Aufstellung können wir die Beziehungen und Muster in einem System sichtbar machen und auf diese Weise neue Perspektiven und Lösungen finden. Der Einzelne wird nicht isoliert betrachtet, sondern immer in seinem Zusammenhang mit dem System, in dem er lebt. Das kann ein Familiensystem, ein Arbeitssystem oder auch ein soziales System sein. Eine Systemische Aufstellung ermöglicht uns, unsere eigenen Verhaltensmuster und Einstellungen zu erkennen. Wir können sehen, wo wir uns selbst im System verorten und wie wir mit anderen in Beziehung stehen. Wir können lernen, uns selbst und andere besser zu verstehen. Dadurch eröffnen sich neue Handlungsoptionen, die zu Klarheit und Veränderung führen können. Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, Menschen mithilfe der Aufstellungsarbeit zu unterstützen. Ich glaube, dass diese Methode ein wertvolles Geschenk ist.

Clara: Welche Themen beschäftigen dich aktuell ganz besonders?

Antje: In meiner Arbeit als Coachin beschäftigt mich aktuell vor allem die Frage, wie Menschen in der heutigen Zeit mit den vielen Veränderungen und Herausforderungen umgehen können. Die Welt ist in einem stetigen Wandel, und das stellt uns alle vor neue Herausforderungen. Wir müssen lernen, mit Unsicherheit umzugehen, flexibel zu sein und uns immer wieder neu zu orientieren. Ich sehe, dass die Menschen, die zu mir kommen, sich zunehmend mit Themen wie Sinnfindung, Selbstverwirklichung und dem Umgang mit Unsicherheit und Veränderung beschäftigen.

Viele Menschen sind mit ihrem Job unzufrieden oder fühlen sich ausgebrannt. Sie wünschen sich eine Veränderung oder neue Perspektiven. Dies kann verschiedene Gründe haben, wie z. B. eine unbefriedigende Tätigkeit, eine ungünstige Arbeitsatmosphäre oder fehlende Perspektiven. Oft möchten sich Coachees einfach weiterentwickeln und ihr volles Potenzial entfalten. Sie möchten sich neue Fähigkeiten aneignen, ihre Karriere voranbringen oder ihre Persönlichkeit stärken. Ein weiteres großes und wiederkehrendes Thema ist die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Für viele Menschen ist es schwer, beides unter einen Hut zu bringen. Dies kann zu Stress und Konflikten führen. Auch das Thema Selbstwertgefühl häuft sich in meinen Coachings. Viele Menschen haben Schwierigkeiten, sich selbst zu akzeptieren und zu mögen. Am allermeisten geht es jedoch um das Thema Beziehungen. Partnerschaften, Freundschaften und Familie sind wichtige Lebensbereiche, in denen es oft zu Konflikten und Herausforderungen kommt.

Clara: Gibt es für dich eine zentrale Erkenntnis aus deiner Arbeit? Und was würdest du angehenden Mediator*innen gerne mit auf den Weg geben wollen?

Antje: Jeder Mensch ist ein einzigartig! Als Coach ist es wichtig, diese Individualität zu respektieren und den Coachee dabei zu unterstützen, seinen eigenen Weg zu finden. Und jeder Weg und jeder Coachingprozess ist anders und einzigartig. Das ist für mich so bereichernd und erfüllend. Es macht mir unglaublich viel Freude, mit meinen Coachees als Begleiterin und Impulsgeberin auf ihrer eigenen inneren Landkarte zu ihren Zielen reisen zu dürfen. Ich bin immer wieder dankbar für das große Vertrauen, das mir meine Coachees schenken und für den wertfreien, offenen und sensiblen Raum für Veränderung, den wir gemeinsam schaffen. Ziele zu definieren und ausgehend von den Stärken und den Ressourcen den Veränderungsprozess zu starten, sind für mich entscheidend für ein erfolgreiches Coaching.

Coaches und Mediator*innen sollten sich regelmäßig selbst reflektieren. Dazu gehört, sich mit den eigenen Werten, Einstellungen und Überzeugungen auseinanderzusetzen. Wichtig finde ich auch, sich als Coach*in oder Mediator*in seiner eigenen Grenzen bewusst zu sein und sich ggf. an andere Fachkräfte zu wenden. Als Coach*in und Mediator*in lernt man nie aus. Deshalb finde ich es wichtig, regelmäßig an Supervisionen und Weiterbildungen teilzunehmen, um die eigenen Fähigkeiten zu erweitern und neue Methoden kennenzulernen. Ein gut gefüllter Handwerkskoffer ist das A und O.

Clara: Zum Abschluss unser "Joker": Welche Frage wärst du gerne noch gefragt worden?

Antje: Was wäre ich gerne in dem Interview noch gefragt worden. Das ist eine gute Frage. Vielleicht die Frage, was meine handwerkliche Ausbildung zur Schreinerin mit Coaching zu tun hat. Und dazu kann ich nur sagen: Handwerk ist alles!

Vielen Dank für das Interview, liebe Antje!