Schulmediation über die Mediations-Zentrale München (MZM): Interview mit Juliane Wünschmann
Juliane Wünschmann ist Mediatorin, Systemische Coachin und Volljuristin. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der MediationsZentrale München e.V. (MZM) sowie Gründerin und Leiterin der MZM Schulmediation. Bei AVACOM Ausbildung Mediation in Schulen ist sie Partnerin. Mit unserem Teammitglied Kerstin Hoffmann, die sich selbst ehrenamtlich als MZM Schulmediatorin engagiert, hat sich Juliane über ihren Werdegang als Mediatorin, die Anfänge und die Entwicklung der MZM Schulmediation, aber auch über wichtige Rahmenbedingungen und Perspektiven der Schulmediation unterhalten.
Unsere Interviewpartnerin:
Juliane Wünschmann
Kontakt:
https://www.juliane-wuenschmann.de/
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Kerstin: Wie kamst du zur Schulmediation bzw. zur MZM?
Juliane: Als ich 1997 als junge Rechtsanwältin meine erste Mediationsausbildung machte, ist der Funke sofort übergesprungen: Menschen in Begegnung bringen, ihre Interessen und Bedürfnisse orten, ihre inneren Welten sichtbar machen, helfen, die Tür zum Frieden konstruktiv und effektiv zu öffnen – das war es! Wenig später begann ich, kleinere und mittelständische Firmen und Familien durch Konfliktklärungen zu begleiten; geholfen hat mir damals die Zusammenarbeit mit schon erfahreneren Mediatoren, von denen ich jede Menge gelernt habe. Bis zum Jahr 2000 machte ich noch eine intensive, berufsbegleitende Ausbildung zum systemischen Coach, die meinen Blick auf uns Menschen und auf zwischenmenschliche Interaktion bis heute prägt. Später kam noch meine Tätigkeit als Ausbilderin hinzu, u.a. an verschiedenen IHKs. In den ersten zehn Jahren bewegte ich mich alles in allem im eher klassischen Feld der Mediation, die in Deutschland damals ihren Anfang nahm.
Dann kam meine erste Tochter in die Schule und mein berufliches Leben nahm eine Kurve, die ich selbst erst einmal nicht als solche eingeordnet habe: Ich engagierte mich im Elternbeirat. Dadurch bekam ich nun jahrelang Einblick in das sehr spezielle System Schule. Auch hier zeigte sich überdeutlich: Ungelöste Konflikte blockieren, machen auf Dauer unglücklich und gelingende Potentialentfaltung völlig unmöglich.
Irgendwann sprach mich eine langjährige Mediationskollegin, damals Vorstandsmitglied in der MZM, an, ob ich mir das Thema Mediation in Schulen genauer vorknöpfen könne. Nach ausgiebiger Recherche war mir – wenig überraschend – klar, dass es in hiesigen Schulen weder systematisches Konfliktmanagement gab, noch professionelle Hilfestellung. Und so habe ich 2009 ein systemisches Konzept für Schulmediation entwickelt. Hier floss hinein, was ich bis dahin verinnerlicht hatte: Juristisches Knowhow, systemischer und ganzheitlicher Ansatz, mediative Methodik und Haltung.
Eine tragende Säule des Konzepts: Vertrauen, Kontinuität und Präsenz. Denn für die Kinder und Jugendlichen und auch für die Erwachsenen ist genau das essenziell. Was es für wirksame Unterstützung und nachhaltige Konfliktbewältigung braucht, ist Begleitung – und zwar nicht nur als Feuerwehr, sondern vor, im und nach dem Konflikt. Es ist so wichtig, insbesondere den Kindern verlässlich und ermunternd zur Seite zu stehen, sie durch den ganzen Prozess ihres Konfliktes zu begleiten, mit ihnen das Streiten und das Frieden schließen immer wieder zu üben. Dadurch wird Schulmediation zu einem Ort für Herzensbildung und soziale Kompetenz und kann Stück für Stück in die Menschen hineinwachsen.
2010 haben wir mit der MZM Schulmediation in der ersten Schule angefangen. Nach und nach kamen immer mehr Schulen und engagierte Mediatoren hinzu, die MZM Schulmediation ist gewachsen – und ich mit ihr, nach inzwischen 14 Jahren. Es gab und gibt so immensen Bedarf an professioneller Konflikthilfe, an Zuwendung – und durchweg positive Resonanz von den Kindern, Eltern und Schulen.
Kerstin: Was macht die Schulmediation so besonders?
Juliane: Durch die Mediation mit Kindern, Eltern und Lehrkräften, durch die Schulmediation, wie wir sie betreiben, wird das System als Ganzes verändert. Wir leisten damit einen tiefgreifenden Beitrag für eine friedlichere Welt, mit inzwischen ganz schön großer Breitenwirkung. Für eine Welt, in der Menschen sich gegenseitig respektieren, Verantwortung übernehmen und teilen, gemeinsam Lösungen kreieren, sich die Hand reichen, anstatt zur Waffe zu greifen. In einer friedlichen Welt geht es Menschen gut, und nur in einer friedlichen Welt kann Bildung gedeihen – die Basis und insbesondere für unser Land das höchste Gut, das wir zu pflegen haben.
Dadurch, dass wir Schulmediation erlebbar machen, lebt die Mediation und die ihr innewohnende Haltung in das System hinein. Das ist eine bottom-up Veränderung, ein mindshift und ein faktisches „Wir machen das anders“ von Schulen von innen. Das finde ich toll; hier liegt eine echte Chance für erfolgreichen Bildungswandel. Was die MZM Schulmediation auch noch so besonders und vor allem besonders schön macht: Die Freude! Schulmediation macht glücklich. Ein Satz, den ich meinen Mediatoren und Schulen oft mitgebe und den ich sogar bei unseren Sponsoren wage: Schulmediaton ist eine Form von Liebe. Wenn das nicht glücklich macht?!
Kerstin: Was wünschst du dir für die MZM?
Juliane: Ich wünsche mir starke Partner und eine planungssichere Perspektive. Wir brauchen finanzielle Sicherheit, um unser Wachstumspotential weiter ausschöpfen zu können. Mit sicheren festen Füßen und starken Förderpartnern können wir Kraft entwickeln, um weiterhin diese wichtige Arbeit zu leisten. Wir brauchen viele engagierte Menschen mit unserem Spirit.
Kerstin: Welchen Rat würdest du Mediatorinnen und Mediatoren mit auf den Weg geben?
Juliane: Ich finde Bewusstseinsarbeit bei sich selbst wichtig. Nur, wer sich über seine eigenen roten Knöpfe, seine Stolpersteine, eigene unliebsame Anteile bewusst ist, kann die Konflikt- und Bewusstseinsarbeit als Mediator gut leisten. Die eigene Haltung zu uns selbst, ein gutes Stück innere Reife ist meiner Meinung nach Basis für unsere Arbeit mit und für Menschen. Ich glaube, anderen Menschen dienen – und so begreife ich mediative Arbeit – können wir am besten, wenn wir uns selbst möglichst gut erkennen und nicht auf eigene Ego-Drives und Muster hereinfallen. Unsere Persönlichkeit mit all unseren Erfahrungen und Prägungen bringen wir ja ohnehin voll mit ein, doch bitte mit gutem Selbstmanagement, mit guter Beobachtung: Wie ein Vogel, der sich beim Fliegen zuschaut.
Kerstin: Was beschäftigt dich als Mediatorin gerade am meisten?
Juliane: Mich beschäftigt und besorgt sehr die große Angst in unserer Gesellschaft und Welt. Die Erschöpfung zieht sich durch alle Menschen, alle Branchen, alle sozialen Welten. Angst ist die Wurzel von Eskalation und Polarisierung. Die Unruhe und emotionale Not der Kinder, die wir in den Schulen tagtäglich sehen, ist der Spiegel unserer erwachsenen Ängste. Mich beschäftigt die Frage, wie es uns gelingen kann, die Menschen so zu begleiten, dass sie ihre Ängste abbauen und das Herz öffnen. Wie gelingt es, die Mediation noch weiter zu etablieren? Wie gelingt es, diese Haltung in die Köpfe und Herzen der Menschen zu tragen? Mediation stärkt die Demokratie und wäre in der Politik, in den Medien, so nützlich! In Zeiten massiver kollektiver Unsicherheit ist es wichtiger denn je, dass Menschen sich gegenseitig Mut zusprechen, würdig miteinander umgehen, sorgfältig kommunizieren, zusammen mit den Unsicherheiten leben lernen und zusammen die Probleme unserer Zeit lösen.
Vielen Dank für das Gespräch!